Kambodscha – Eine Grenzerfahrung
Kambodscha ist nicht nur Angkor! Wer in Kambodscha den Mekong bereist wird uralte Tempel entdecken, macht kulinarische Bekanntschaften mit frittierten Vogelspinnen, sieht die letzten Irrawaddy-Delfine oder spürt den Hauch der Seide.
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INHALT: Der Mekong in Kambodscha 1. » Kambodscha – Eine Grenzerfahrung 2. » Ein Hoffnungsschimmer aus Seide 3. » Versteckspiel mit den Irrawaddy-Delfinen 4. » Kambodschas gegrillte Vogelspinnen |
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Kambodscha – Eine Grenzerfahrung
Grenzgänge in Asien füllen Bände. Die Beamten in Veun Kham zum Beispiel betreiben jenseits der Legalität eine windige Einnahmequelle. Insgesamt sieben US-Dollar Bakschisch werden bei der Grenzabfertigung für den Ausreisestempel aus Laos, die Visabearbeitung, einen Gesundheitscheck und für den Einreisestempel ins Königreich Kambodscha fällig. Einmal zeigte unser starrer Blick auf die Dienstnummer des Beamten, der die „Visabearbeitungsgebühr“ kassieren wollte, seine Wirkung. „Oh, sorry, you don’t must pay.“ Aber irgendwie sei ihnen der Zuverdienst auch gegönnt. Die Kambodschaner hatten eine grausige Vergangenheit, erst die Kolonialisierung, später der Vietnamkrieg und dann Pol Pots Terrorregime.


Jetzt sind die Menschen wieder euphorisch, glücklicher, zufriedener. Erfolgsgeschichten wie die Seidenweberei „Mekong Blue“ in Stung Treng oder Vong Metrys Apsara-Tanzschule in der Hauptstadt zeigen es. Oder das alte Angkor, dort tummeln sich jährlich über eine Million Besucher – Tendenz steigend. In Kampi dagegen ist es noch ländlich ruhig. Dort beobachten wir am frühen Morgen Irrawaddy-Delfine und im Dorf Skoun überreden uns drei Frauen, sie auf der Jagd nach Vogelspinnen zu begleiten – auch eine Grenzerfahrung!




Kompong Chhnang, Fischer im Lotussee


Ein Hoffnungsschimmer aus Seide
Laut, nein, unerträglich laut ist es hier. Unter unserem Hotelfenster steht ein Monstrum von einer Bühne. Auf den Brettern rockt eine fünfköpfige Band, die in den schrillsten Tönen Khmer-Pop ins Publikum schmettert. Die Bässe lassen unsere Fensterscheiben im Takt vibrieren. Wenn Kambodschaner Hochzeiten feiern, lassen sie die Fetzen fliegen. Alles mondän, alles teuer, viel Krach, viel Schminke. Männer im smarten Zwirn, ihre Frauen, gehüllt in edelster Seide. Und genau wegen der Seide besuchen wir Stung Treng. In dieser Kleinstadt wird der schillernde Traum, von der Raupenzucht bis zum gewebten Kleidungsstück, in dem sozialen Frauenprojekt „Mekong Blue“ produziert.Der nächste Morgen ist angenehm ruhig. Unsere Gesichter sind zerknittert von der schlaflosen Nacht. Die Fahrräder sehen auch nicht besser aus. Zur Seidenmanufaktur radeln wir auf einem schmalen Asphaltband, immer entlang am Sekong-Fluss. Am Straßenrand spielen Kinder Flip-Flop-Billard, Frauen hängen Wäsche auf, ein Schwein wird für den Grill vorbereitet.
Gute Ausbildung bei Mekong Blue
Am Eingang empfängt uns Herr Chan, der Direktor der Seidenfabrik. Er scheint uns sofort den Schlafentzug anzusehen. „Hochzeit, oder?“, fragt er und wartet unsere Antwort erst gar nicht ab. „Die Kambodschaner feiern gern bis tief in die Nacht. Die Menschen haben hier nach der Erntesaison viel Zeit.“ Ein zufriedenes Lächeln breitet sich in seinem Gesicht aus und der 60-jährige Projektleiter fügt hinzu: „In dieser Zeit stehen unsere Webstühle kaum still. Es sei denn, dass die Seidenraupen mit der Produktion nicht hinterher kommen.“

Thean, Phat, Sreyneun, Nary und Sinuon sind fünf von 74 Weberinnen, die im Frauenzentrum eine neue Perspektive gefunden haben. Keine von ihnen konnte Lesen, Schreiben oder Rechnen als Herr Chan sie hier in die Gemeinschaft mit aufnahm. Zuhause waren die jung verheirateten Frauen nur gut genug für Küchen- und Feldarbeit – und zum Kinder auf die Welt bringen.
Neuer Shop in Phnom Penh
Herr Chan und seine Frau Nguon Chantha legen großen Wert auf die Ausbildung. Er erklärt, dass Lesen und Rechnen die Voraussetzungen sind, um später die Produkte selbstständig zu vermarkten. Doch an dem richtigen Marketing, dem Design und der Qualität scheitern viele in ihren Dörfern. Zudem ist in der Stung Treng Provinz kaum ein Absatz der hochwertigen Ware möglich. Frau Chantha eröffnete daraufhin in Phnom Penh, Eo-Straße 1, eine Seidenboutique. Von dort entscheidet sie welche Muster gerade gut laufen, ob Grün, Gelb oder Rot der Renner sind – zudem ist in der Hauptstadt mehr Geld unter den Einwohnern und Touristen.

Damit sich die Frauen voll auf ihre Ausbildung konzentrieren können, gehört zum Projekt auch ein Kindergarten und eine Küche für die Pausenverpflegung.
Was im Jahr 2002 mit sechs Frauen in einem kleinen Hinterhaus in Stung Treng begann, entwickelte sich in den letzten zehn Jahren zu einer Manufaktur mit der Größe eines mittelständischen Unternehmen. Welche Pläne Herr Chan für die Zukunft hat, möchten wir wissen. „Unser nächstes großes Projekt wird ein Waisenhaus für mindestens 30 Kinder sein“, verrät er uns. „Die Jungen und Mädchen bekommen hier eine fundierte Schulausbildung, Unterkunft und medizinische Versorgung.“ Vielleicht die nächste Erfolgsstory in Kambodscha. 2004 und 2005 bekam das Frauencenter für ihre Arbeit eine Auszeichnung von der UNESCO.
Auf dem Rückweg nach Stung Treng radeln Kinder mit uns um die Wette, am Grill hängt nur noch das Skelett vom Schwein und vor unserem Hotel steht immer noch die Bühne. Na dann, gute Nacht!



Versteckspiel mit den Irrawaddy-Delfinen
Ein samtiger Morgenwind weht über den Mekong. Zeitweilig kräuselt sich unscheinbar das Wasser. Wir gleiten lautlos über den Fluss, nicht weit vom Ufer entfernt. „Das ist wirklich ein fantastischer Morgen“, flüstert uns Bootsfahrer Vol zu, „bisher keine anderen Touristen in Sicht, kaum Wind, sogar den Motor können wir auslassen.“ Es ist kurz nach sieben Uhr, die Sonne versteckt sich noch schüchtern hinter den Wolken, wir sitzen in Vols postgelben Fischerboot mit der Nummer Zehn und unternehmen mit ihm eine Delfin-Safari – in Kampi soll es noch über zwanzig Irrawaddy-Delfine geben. Ein paar Wasservögel kreischen im Vorbeiflug, ansonsten herrscht hier Totenstille. Unsere Blicke und der Kamerasucher heften sich an die Wasseroberfläche. Wir warten. Dann ein Schnauben, und gleich noch eins. Vol zeigt mit dem Finger in Richtung Ufer.
Kamera im Dauerfeuer
Wir reißen unsere Köpfe herum, sehen eine glitzernde Fontäne aus tausenden Wassertröpfchen im Gegenlicht aufsteigen und gleichzeitig drei halbrunde Rücken ins Wasser abtauchen. Die Kamera rattert kurz im Dauerfeuer, keine Zeit über Verschluss oder Blende nachzudenken. Diese Szene wiederholt sich in den nächsten Stunden etliche Male. Nie wissen wir, wo und wann die grau-blauen Flussbewohner wieder auftauchen. Mittlerweile prasselt die Sonne auf das Bootsdach. Vol langweilt sich schon, er spielt mit seinem Handy und die Delfine scheinen sich einen Spaß daraus zu machen, uns in die Irre zu führen.


Gefahren für die scheuen Tiere
Dabei haben sie überhaupt nichts zu lachen. Die Zukunft der Irrawaddy-Delfine sieht alles andere als rosig aus. Ihre Population sinkt ständig. Giftige Abfälle der Goldminen und der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft verunreinigen den Lebensraum der Tiere. In Stellnetzen, die eigentlich für große Mekong-Fische in den tiefen Pools aufgestellt werden, verheddern sich auch Delfine, in denen sie ohne menschliche Hilfe innerhalb weniger Minuten jämmerlich ersticken. Die Netze wurden verboten, nachprüfen kann das keiner.
Der steigende Tourismus hat Vor- und Nachteile. Mit Bootsfahrten, Souvenirständen und Restaurants verdienen in Kampi die Fischer ihren Lebensunterhalt und müssen nicht mehr mit den Stellnetzen den Lebensraum der Delfine bedrohen. Allerdings sind Flussdelfine scheu und nicht so gesellig wie ihre Kollegen aus dem Meer. Der ständige Bootslärm und die Verfolgungsjagden machen die Tiere nervös und lassen sie für die Fortpflanzung nicht zur Ruhe kommen.

Vol arbeitet schon seit vier Jahren im Delfin-Business. Für jede Fahrt bekommt der 30-Jährige 15.000 Riel, umgerechnet knapp drei Euro, von der Kommune. Das Boot ist ein Geschenk seines Vaters, den neuen 13-PS-Honda-Motor kaufte er kürzlich auf Kredit. Meistens lässt er aber den Motor aus und rudert langsam den Delfinen entgegen oder wartet nur auf einem Pool mit seinen Gästen bis die Delfine am Boot vorbei schwimmen. „Es ist sinnlos. Fährst du den Tieren hinterher, tauchen sie ab und kommen an ganz anderer Stelle wieder an die Oberfläche.“ Vol erzählt auch, dass viele Besucher den Delfinen ständig folgen wollen. „Die Kambodschaner sind da am ungeduldigsten. Ich hatte sogar schon Langnasen im Boot, die wollten mit den Delfinen schwimmen.“
Legende von der Meerjungfrau
Auf einem Plakat am Bootsanleger lesen wir eine wundersame Geschichte, die sich hier die Menschen über Delfine erzählen: Eine bettelarme Bäuerin wollte ihre Tochter mit einem riesigen Python verheiraten, weil sie annahm, die Würgeschlange sei ein göttliches Wesen. Sie hoffte auf unermessliche Reichtümer. Am Tag der Hochzeit fraß die Schlange das Mädchen. Ein Fischer rettete das Mädchen aus dem Bauch der Schlange. Angeekelt vor sich selbst, sprang sie in den Mekong. Kurz vor dem Ertrinken verwandelte der Mekong das Mädchen in eine wunderschöne Meerjungfrau, die sich von da an in der Gestalt eines Delfins zeigte und alle Fischer beschützt. Seitdem glauben die Dorfbewohner, dass Delfine ihre Verwandten sind.
Wir steigen auf unser Moped und fahren mit gemischten Gefühlen zurück ins fünfzehn Kilometer entfernte Kratie. Einerseits glücklich, den Irrawaddy-Delfinen so nah gewesen zu sein, andererseits betrübt, weil sie bald nur noch in den Erzählungen der Kambodschaner weiterleben werden, wenn ihnen nicht mit allen Mitteln geholfen wird.



Kambodschas achtbeiniger Snack
Akribisch sucht Shin im Laubwald den sandigen Erdboden ab. Vorsichtig wendet die 33-Jährige vertrocknete Blätter, nestelt mit einem fingerdicken Stock in Grasbüscheln umher und schiebt dünne Zweige beiseite. Es dauert nicht lange, und sie findet ein unscheinbares Loch in der ausgetrockneten Erde, kaum größer als eine Euromünze. Das feine Spinnennetz am Eingang verrät den Bewohner der Erdhöhle: eine Vogelspinne – Kambodschas bizarrste Delikatesse.
Spinnenjagd im Bambuswald
In Asien ist es nicht ungewöhnlich, dass Maden, Käfer und andere Krabbelviecher in den Kochtopf wandern, alles was sich bewegt scheint zu schmecken. Aber Vogelspinnen? Für Zartbesaitete oder Gourmets wird der Ort Skoun nie auf dem Reiseplan stehen. Wir jedenfalls verabredeten uns in dem Provinznest mit Shin, Win und Shouk und gehen mit ihnen die schwarzen Riesenspinnen fangen. Zugegeben, ganz wohl ist uns bei der Sache auch nicht. Ob die drei Frauen keine Angst vor den Tieren haben wollen wir wissen. “Nein, niemals“, verrät uns Shouk. „Meine Mutter hat mir schon als Kind gezeigt, wie ich die Spinne halten muss, um die beiden Giftzähne zu entfernen.“ Normalerweise sind Vogelspinnen defensiv veranlagt und verkriechen sich bei Gefahr tiefer in ihre Höhle oder fliehen. Werden sie zu sehr in die Enge getrieben, beißen sie schon mal zu. „Es schmerzt ungemein und die Stelle schwillt an, aber tödlich ist der Biss nicht“, weiß Shouk aus eigener Erfahrung. Vor drei Wochen war sie einen kurzen Moment unaufmerksam und bekam das sofort zu spüren. „Wenn die Zähne erst einmal herausgebrochen sind, ist die Spinne ungefährlich.“ Wir sollen uns aber keine Sorgen machen. Eine knappe Stunde später krabbeln 25 handtellergroße Vogelspinnen im weißen Plastikeimer.


Spätestens jetzt sollten Arachnologen und Spinnenliebhaber weiterblättern! Denn nun landen die Achtbeiner im Wok. Ein kurzer Druck mit dem Daumen auf die Oberkörper der Spinnen, schon liegen sie bewegungslos da. Win zeigt uns ihr Rezept für die Zubereitung. „Nach dem Waschen wälze ich die Tiere in Zucker, Salz und Knorr“, erklärt sie. „Dann frittiere ich sie fünfzehn Minuten in heißem Öl und verfeinere die krossen Leckerbissen noch mit hauchdünnen Knoblauchscheiben, so lieben es meine Kunden.“
Von Survivalfood zum Trendsnack
Vogelspinnen waren zwischen 1975 und 1979 während der Schreckensherrschaft der Roten Khmer ein unverzichtbarer Bestandteil auf dem Speiseplan der hungernden Bevölkerung. In den letzten Jahren avancierten die frittierten Achtbeiner vom Survivalfood sogar zum erlesenen Trendsnack. In Phnom Penh stehen die Spinnen schon in einigen Restaurants auf der Speisekarte – drei Spinnen serviert mit grünen Tomaten und einem Lemon-Pfeffer-Dip für drei Euro.

Shin, Win und Shouk verkaufen ihre selbstgefangenen Spinnen jeden Tag ab acht Uhr morgens am Busstop Rom Duol, zwei Kilometer von Skoun entfernt. Eine Spinne kostet 500 Riel (acht Cent), Riesenexemplare können bis zu zwanzig Cent einbringen.

Für diesen Bildband sind wir insgesamt sieben Monate auf dem Mekong von China (Yunnan) bis nach Vietnam gereist.
Zucht oder Wildfang?
Brandrodung und Abholzung bedrohen den Lebensraum der Vogelspinnen in der Umgebung von Skoun immens. Die Spinnenjägerinnen fangen daher immer weniger Tiere. In der Nachbarprovinz Kompong Thom züchten schon geschäftstüchtige Kambodschaner Vogelspinnen, aber die können sich die drei Frauen nicht leisten, weil sie keinen Gewinn mehr abwerfen würden. „Die Tiere sind im Einkauf zu teuer und schmecken nicht so lecker wie der Wildfang“, weiß Shin. „Außerdem ist an den Tieren kaum was dran.“
Ja, und wie schmecken die Dinger nun eigentlich? Natürlich haben wir sie gekostet. Irgendwie war es eine Mischung aus Kartoffelchips, Salzstangen und Ölsardinen. Und ganz ehrlich, eine Spinne hat völlig gereicht.


Die besten Reiseführer für Kambodscha
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