Kambodschas Vogelspinnen als Snack
Kross frittiert in heißem Öl, mit einem Mix aus Gewürzen, Salz und Zucker und zur Krönung mit hauchdünnen Knoblauchscheiben garniert – so lieben die Kambodschaner ihre schwarzen Vogelspinnen.
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Kein Ort für Zartbesaitete und Gourmets
Akribisch sucht Shin im Laubwald den sandigen Erdboden ab. Vorsichtig wendet die 33-jährige Kambodschanerin vertrocknete Blätter, nestelt mit einem fingerdicken Stock in Grasbüscheln umher und schiebt dünne Zweige beiseite. Es dauert nicht lange, und sie findet ein unscheinbares Loch in der ausgetrockneten Erde, kaum größer als eine Euromünze. Das feine Spinnennetz am Eingang verrät den Bewohner der Erdhöhle: eine Vogelspinne – Kambodschas bizarrste Delikatesse.
In asiatischen Ländern ist es nicht ungewöhnlich, dass Seidenraupen, Wasserkäfer, Heuschrecken und andere Krabbelviecher im Kochtopf oder auf dem Grill landen, alles was sich bewegt scheint auch gut zu schmecken. Aber Vogelspinnen? Für Zartbesaitete oder Gourmets wird der Ort Skoun, die Hochburg der Spinnenröster, nie auf dem Reiseplan stehen. Ich jedenfalls habe mich in dem staubigen Provinznest mit den drei Spinnenfängerinnen Shin, Win und Shouk verabredet und begleite sie in den Bambuswald, wo sie nach den schwarzen Riesenspinnen suchen.

Die Giftzähne müssen raus
Zugegeben, ganz wohl ist mir bei der Sache nicht. Ob denn die drei Frauen keine Angst vor den Tieren haben, möchte ich vorher gern wissen. „Nein, niemals!“, verrät mir Shin. „Meine Mutter hat mir schon als Kind gezeigt, wie ich die Spinne zu halten habe, wenn ich die beiden Giftzähne entferne.“ Normalerweise sind Vogelspinnen defensiv veranlagte Tiere und verkriechen sich bei Gefahr tiefer in ihre Höhle oder versuchen zu fliehen. Werden sie aber zu sehr in die Enge getrieben und finden keinen Ausweg, beißen sie schnell zu. „Es schmerzt ungemein und die Wunde schwillt an, aber tödlich ist der Biss nicht“, weiß Shin aus eigener Erfahrung und zeigt mir ihre rechte Hand. Vor drei Wochen war sie einen kurzen Moment unaufmerksam und bekam das sofort zu spüren. „Wenn die zwei spitzen Zähne erst einmal herausgebrochen sind, ist die Spinne ungefährlich und fast handzahm.“ Ich soll mir also keine Sorgen machen.


Früh sind die Spinnen noch faul
Das Jagd-Equipment von Shin und ihren beiden Freundinnen: ein Eimer, ein dünner Bambusstock und ein angeschliffenes Eisenrohr, dass als Schaufel dient. „Frühmorgens sind die Spinnen noch klamm und faul von der nächtlichen Jagd auf Insekten, kleinen Fröschen oder Mäusen“, ist sich Shin sicher. „Sie verkriechen sich in ihre Erdhöhlen und sind leicht zu fangen.“ Sobald die Frauen ein verdächtiges Loch entdecken, in der sie eine Spinne vermuten, beginnt eine von ihnen das Loch mit dem Eisenrohr zu vergrößern. Dabei ist Vorsicht geboten! Vogelspinnen graben sich oft nicht viel tiefer als 20 Zentimeter in den Erdboden ein. „Wenn wir jetzt nicht richtig aufpassen, flüchtet die Spinne aus ihrer Behausung und verschwindet unter dem dichten Laub.“ Sobald das Loch groß genug ist und die Vorderbeine der Spinne zu sehen sind, drückt Shin das Tier mit dem Bambusstock an den Erdboden. Behutsam greift sie sich die Spinne und drückt dabei deren Vorderbeine fest an den Oberkörper. Die Gefahr ist gebannt, jetzt müssen nur noch die Giftzähne entfernt werden.


Rezept für Zubereitung von Vogelspinnen
Eine knappe Stunde später krabbeln 25 handtellergroße Vogelspinnen in Shins weißem Kunststoffbehälter. Wieder in ihrem Haus zurück, erzählt Shin, dass sie jeden Morgen um vier Uhr aufsteht und für den Markt die Spinnen zubereitet. Für mich macht sie jetzt eine Ausnahme. Spätestens ab hier sollten Arachnologen und Spinnenliebhaber diesen Artikel nicht mehr weiter lesen! Denn nun landen gleich die haarigen Achtbeiner im Kochtopf. Ein kräftiger Druck mit dem Daumen auf den hinteren Oberkörper der Spinne, und schon liegt das Tier bewegungslos auf dem Tablett. Shin zeigt mir ihr Rezept für die Zubereitung der Krabbler. „Nach dem gründlichen Waschen und kurzem Kochen lege ich die Spinnen in Zucker, Salz und einer fertigen Gewürzmischung ein und lasse 30 Minuten die Zutaten einziehen“, erklärt sie. „Danach frittiere ich sie fünfzehn Minuten in heißem Öl. Jetzt werden die krossen Leckerbissen nur noch mit hauchdünnen Knoblauchscheiben garniert, so lieben es meine Kunden an der Busstation.“

Trendfood Vogelspinne in Phnom Penh
Vogelspinnen waren zwischen 1975 und 1979 während der Schreckensherrschaft der Roten Khmer ein unverzichtbarer Bestandteil auf dem Speiseplan der hungernden Bevölkerung. Die Flucht vor den Schergen Pol Pots in den dichten Dschungel machte die Menschen in der Not erfinderisch, vor allem was die Nahrungsaufnahme betraf. Die Spinnen waren Sattmacher und Eiweißlieferanten und sollen wohl Lungen- und Herzbeschwerden lindern. Seit einigen Jahren avancieren die frittierten Achtbeiner vom Survivalfood sogar zum erlesenen Trendsnack. Ob in der Hauptstadt Phnom Penh, in Siem Reap oder an den Stränden in Sihanoukville, überall schätzen die Kambodschaner die ungewöhnlichen Leckerbissen. In Phnom Penh stehen die Vogelspinnen sogar schon in einigen Restaurants auf der Speisekarte – drei Spinnen serviert mit grünen Tomaten und einem Lemon-Pfeffer-Dip für umgerechnet drei Euro.

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Vogelspinne frisch aus dem Wok
Doch nur in der Spinnenstadt Skoun, eine knappe Autostunde nördlich von Phnom Penh, bekommt man die Krabbeltiere ganz frisch aus dem Wok. Zwei Kilometer vor Skoun warten an mehreren Busstationen die Verkäuferinnen mit vollen Tabletts fein säuberlich aufgestapelter Spinnen, die von Öl und Bratfett triefen. Mittlerweile lebt hier das halbe Dorf von der Zubereitung und dem Verkauf der knusprigen Achtbeiner.

Shin verkauft ihre selbstgefangenen Spinnen jeden Tag ab acht Uhr morgens am Busstop Rom Duol 88, an dem Reisebusse auf den Weg in die Tempelstadt Angkor halten. Für Touristen halten andere geschäftstüchtige Verkäuferinnen sogar einige lebende Exemplare bereit. Das Fotoshooting mit der Spinne kostet ein US-Dollar. Die gefrittete Spinne ist schon für 500 Riel (acht Cent) zu haben, Riesenexemplare können bis zu 1.500 Riel einbringen.
Wie lange Shin und die anderen Frauen noch mit dem Verkauf der Spinnen ihren Lebensunterhalt bestreiten können ist ungewiss. Brandrodung und Abholzung bedrohen den Lebensraum der Vogelspinnen in der Umgebung von Skoun immens. Die Spinnenjägerinnen fangen daher immer weniger Tiere.
Wie schmecken frittierte Vogelspinnen?
In der Nachbarprovinz Kompong Thom züchten schon geschäftstüchtige Kambodschaner Vogelspinnen, aber die können sich die drei Frauen nicht leisten, weil sie keinen Gewinn mehr abwerfen würden. „Die Tiere sind im Einkauf zu teuer und schmecken nicht so lecker wie unser Wildfang“, weiß Shin. „Außerdem ist an den Tieren kaum was dran.“


Ja, und wie schmecken die Dinger nun eigentlich? Natürlich habe ich eins der frisch zubereiteten Exemplare von Chin gekostet, nachdem ich die feinen Haare von den Beinen entfernt und das Öl abgetupft habe. Der Geschmack lässt sich schwer beschreiben. Irgendwie ist es ein Zwischending aus Kartoffelchips und Ölsardinen. Die Beine sind noch essbar, sie erinnern etwas an Salzstangen. Aber die gallertartige Masse im Körper ist nur was für Hartgesottene. Hier passe ich! Angeblich soll dieser Saft Lungen- und Herzprobleme heilen. Ich bin gesund, zum Glück! Und ganz ehrlich, eine Vogelspinne hat mir völlig gereicht. Guten Appetit!


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Woher kommt der Name Vogelspinne?
Ihren deutschen umgangssprachlichen Namen verdankt die Vogelspinne wohl einer Buchillustration aus dem frühen 18. Jahrhundert. Darauf sitzt ein haariger Brocken auf einem Ast und verspeist genüsslich einen Kolibri. Dabei fressen die Tiere nur selten Vögel.

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