Abenteuer Mekong – Von China nach Vietnam
Reise entlang am Mekong
Unsere Flussreise auf dem Mekong von China nach Vietnam beginnt im schroffen Norden von Yunnan an der tibetischen Grenze und endet im seichten Delta von Vietnam. Wir reisen mit einem chinesischen Frachtschiff, laotischen Luxuslinern und betagten Holzbooten oder auf dem Landweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln immer entlang an der Lebensader Südostasiens.
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(*) Transparenz-Hinweis: Dieser Beitrag enthält Werbe- / Provisionslinks. Mehr Infos im Impressum.

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Auf dem Mekong von China nach Vietnam
„Die heiligen Nagas wohnen in dunklen Grotten, hinter Felsvorsprüngen und in reißenden Stromschnellen. Ihr müsst sie gnädig stimmen, dann helfen sie euch gefährliche Hindernisse zu überwinden. Hier, nehmt diesen Beutel Reis für die Flussgeister und spendet eine Handvoll, sobald das Wasser zu unruhig wird“, verabschiedet uns Kham Sings Frau bevor wir in sein wackliges Holzboot steigen. Laoten glauben an Flussgeister, die den Bootsfahrern bei Unwetter und tückischen Strudeln helfen. Verärgert man jedoch die heiligen Schlangenwesen, können sie auch schnell das Boot zum Kentern bringen. Kham Sing lebt mit seiner Frau und den vier Söhnen auf der idyllischen Insel Don Khon in Si Phan Don, was übersetzt 4.000 Inseln bedeutet. Wir lernten ihn schon vor zehn Jahren kennen. Damals arbeitete Kham als Fischer und verdiente sich in der Nebensaison ein wenig Geld mit Bootstouren dazu. Ein kleiner, hagerer Mann, immer ein freundliches Lächeln auf den Lippen, der sich bestens in diesem Delta auskennt. Wir wollen mit seinem Boot in den Geisterwald und später zu den Irrawaddy-Delfinen fahren. In der Trockenzeit, wenn der Wasserstand vom Mekong am niedrigsten ist, eröffnet sich dem Reisenden eine bizarre Landschaft mit windschiefen Bäumen, was hier allerdings „wasserschief“ heißen muss.
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Märchenwelt am Mekong
Während der Monsunzeit, wenn der Mekong weit über die Ufer tritt, stehen die Baumkronen unter Wasser und passen sich der Fließrichtung an. Eine Märchenwelt, die jedes Jahr aufs Neue in der Trockenzeit erscheint.

Wer jemals durch die amphibische Inselwelt Si Phan Don schipperte, oder auf einem der vielen Felsen saß und von dort die Sonne untergehen sah, dabei den Dreiecksformationen der Kuhreiher am Himmel nachschaute und dem Gurgeln des Mekong lauschte, wird schnell fühlen, dass dieser Fluss mehr als nur ein dahinfließendes Gewässer ist.
Der Mekong ist Wohnstätte, Handelsweg, Lebensader, Mythos und Geheimnisträger. Er transportiert Menschen, Tiere, Waren, Schicksale, Ideen, Träume, Schwüle, traurige und kuriose Geschichten. Der Strom trennt Staaten und Ideologien, Fortschritt und Althergebrachtes. Sein Wasser nimmt und gibt im Rhythmus der Jahreszeiten. Über ihn weht ein Hauch von Sehnsucht, Melancholie und Abenteuer. Er riecht nach Opium, schmeckt nach Diesel und erfüllt lang ersehnte Wünsche. Es ist der Fluss Buddhas, der Erleuchtung, der Klöster, Pagoden und heiligen Schreine. Obwohl der Mekong nicht voller Hingabe, wie Ganges oder Brahmaputra, als heiliger Fluss verehrt wird, so fühlt man sich dennoch stets von einer permanenten Spiritualität umgeben.

Zwischen Frachtschiffen und Mekong-Kreuzern
Wir bereisen die Hauptschlagader Südostasiens im Zeitlupentempo oder auf der Überholspur, meist flussabwärts, entweder spartanisch mit einem chinesischen Frachtschiff oder ganz vornehm auf dem Teakholz-Kreuzer, manchmal brettern wir über die Wasseroberfläche mit dem Speedboot oder tuckern gemächlich mit einem Fischerboot. Wo es auf dem Wasserweg nicht möglich ist, nutzen wir den Bus, das Taxi, das dreirädrige Tuk-Tuk oder ein gemietetes Moped. Wir lernen während unserer Flussreise Menschen kennen, die den Mekong fürchten, ihn lieben und von ihm leben.
Wie Kham Sing, der als Fischer kaum noch Geld verdient. Seitdem die riesigen Fischschwärme von Si Phan Don fernbleiben, die bisher immer in der Trockenzeit den Mekong in Richtung Norden hinauf wanderten, weil in Kambodscha der Mekong und Tonle Sap mit allen Mitteln abgefischt werden. Jetzt versucht Kham seine Familie mit Bootstouren zu ernähren. Oder da wäre Herr Sonam aus dem südchinesischen Dorf Rozong, dort wo der Mekong noch Lancang Jiang, „Turbulenter Fluss“, heißt und schon über 1.000 Kilometer aus der tibetischen Hochebene zurückgelegt hat. Sonam ist 62 Jahre und Viehwirt. „Ohne den Lancang Jiang gäbe es hier kein Wasser, ohne Wasser würden meine Yaks verdursten, ohne Yaks kein Buttertee“, sagt Sonam. Wenn er lacht gleichen seine Gesichtsfalten dem schroffen Relief vom Himalaya. Auch Bootsfrau Tan Nanh in Vietnam, die tagein, tagaus, seit neunzehn Jahren mit ihrem Ruderboot Menschen von einem Ufer zum anderen übersetzt – für umgerechnet dreißig Euro im Monat – ist auf den Song Cuu Long, „Fluss der Neun Drachen“, angewiesen. „Ohne den Mekong könnte ich meine vier Kinder nicht ernähren“, erzählt Frau Tan Nanh. „Der Fluss ist gleichzeitig Wohnstätte, Arbeitsplatz und Speisekammer für uns.“
Reitende Mönche am Mekong
In Thailand treffen wir auf reitende Mönche, die im Goldenen Dreieck gegen den Drogenhandel kämpfen, verabreden uns mit kambodschanischen Frauen und gehen mit ihnen Vogelspinnen fangen, die sie später zu einem krossen Snack verarbeiten, sehen Arbeitselefanten im Dschungel hart schuften, bewundern laotische Fischer, die zirkusreif über die scharfen Klippen am Khon-Phapeng-Wasserfall jonglieren und werden in schwimmende Wohnzimmer eingeladen, unter denen die Vietnamesen bis achtzig Tonnen Fisch züchten – doch dazu später mehr.

Vorab ein paar allgemeine Daten zum Mekong: Der Ort seiner Geburt ist das ewige Eis auf dem tibetischen Hochplateau (wenn man von ewigem Eis überhaupt noch reden kann). Die Quelle konnte bisher nicht genau lokalisiert werden, die Länge ist daher umstritten. Forscher und Abenteurer, allen voran Jules Léon Dutreuil de Rhins, Michel Peissel und Masayuki Kitamura behaupten jeder für sich, die Quelle entdeckt zu haben und die genaue Länge zu kennen. Drei Abenteurer, drei verschiedene Angaben.
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Mekong: Drittlängster Fluss Asiens
Somit bleiben Ursprung und Länge wohlgehütete Geheimnisse des Mekong. Fest steht, dass sich der Strom irgendwo mit einer Länge zwischen 4.800 und 4.909 Kilometer von Tibet bis Vietnam windet, was ihn somit zum drittlängsten Fluss Asiens macht. Rund 85 Millionen Menschen leben an seinen Ufern, davon weit über zwei Drittel am unteren Mekong. Er ist einer der fisch- und artenreichsten Flüsse auf unserem Globus. Nach Angaben der „Mekong River Commission“ (MRC), der Zusammenschluss der Mekong-Länder Vietnam, Kambodscha, Laos und Thailand, zapfen bald zwanzig Staudämme den Fluss an, davon allein acht am Oberlauf in China, drei sind davon schon am Netz. Laos möchte sogar in Zukunft mit elf Dämmen die Mega-Batterie und der größte Stromexporteur Südostasiens werden. Die Probleme der Wasserverschmutzung, dem Rückgang der Fischbestände und das Ausbremsen vom fruchtbaren Schlamm für die Landwirtschaft werden mit jedem weiteren Damm verschärft und sorgen schon heute für reichlichen Zündstoff zwischen den Ländern.
Ob das den Flussgeistern gefällt? Die heiligen Nagas werden sich dann wohl nicht mehr so einfach mit einer Hand voll Reis von den Kraftwerksbetreibern besänftigen lassen.


Lancang Jiang, Chinas wilder Mekong
Unsere Mekongreise flussabwärts beginnt nicht auf dem Wasser in einem Boot, wie man meinen sollte, sondern auf der Straße in Feilai Si, im Norden der chinesischen Provinz Yunnan nahe der tibetischen Grenze. In dem Ort, wo sich 1.300 Höhenmeter tiefer, flankiert von den Meili-Schneebergen, der bedeutendste Strom Südostasiens durch schwindelerregende Schluchten zwängt. Feilai Si ist nicht viel mehr als ein paar lausige Teestuben, ein tibetischer Tempel, Unterkünften mit Panoramablick auf die Gebirgskette, bunte Gebetsfahnen und acht weiße Stupas auf einer riesigen Besucherplattform – so groß, dass darauf Pekings KP mit allen Genossen bequem ihre Parteitage abhalten könnte. Der Ausblick von hier auf das Bergmassiv mit dem 6.740 Meter hohen Khawa Karpo und den zwölf anderen Bergspitzen ist grandios, klare Sicht vorausgesetzt. Der Khawa Karpo ist für die Tibeter, wie der Kailash, ein heiliger Berg. Noch nie wurde er erfolgreich bestiegen. Eine japanisch-chinesische Expedition endete im Januar 1991 mit einem Desaster, eine Lawine verschüttete siebzehn Bergsteiger. Für die Tibeter war sofort klar, das kann nur die Rache der Götter gewesen sein.

Wir suchen für die nächsten Tage ein Auto, dass uns ins Tal zum Mekong bringt. Ticketverkäuferin und Herrin der Besucherplattform Fräulein Dolmala, spricht ausgezeichnet Englisch und organisiert das Taxi für uns – von einem guten Freund der Familie versteht sich.
Der Mekong: Turbulent und ungezähmt
Ushi, unser Fahrer, zwanzig Jahre jung, zündet sich eine Zigarette der Marke Zhen Long, „Chinesischer Drache“, an. Dann legt er eine CD von Tsering Dolkar in den Recorder und wedelt behutsam mit seinem cremefarbenen Youngtimer, einem VW Santana, die Haarnadelkurven bergab. Sein deutschstämmiger Kleinwagen ist aus Chinas Straßenbild nicht mehr wegzudenken. Seit 1984 wird der Santana im Reich der Mitte von „Shanghai Volkswagen Automotive“ produziert.

Zu beiden Seiten leuchten Getreidefelder an den erdfarbenen Berghängen im frischen Grün, schmale ausgetretene Wanderpfade scheinen ins Unendliche zu führen. Das Rauschen des Mekong nimmt nach jeder Biegung zu. Die Spannung steigt.
Nach etlichen Reisen durch die unteren Mekong-Länder Myanmar, Laos, Thailand, Kambodscha und Vietnam sehen wir zum ersten Mal den mächtigen Strom in einer ungewöhnlichen Wildheit. Hier begegnet uns der Lancang Jiang ungezähmt, turbulent sprudelnd, menschenleer und voller Energie. Wo der Mekong in anderen Ländern als Lebensspender gilt, ist er hier offenbar meist, mit den tiefen Schluchten, die das wilde Wasser über Jahrtausende in die Landschaft gefressen hat, ein unüberwindbares Hindernis für Mensch und Tier.

Abenteuer Schiffsreisen*
In diesem Bild/Textband von Polyglott sind wir mit den Reportagen vom Mekong und dem Ayeyarwady mit dabei.Ohne Permit keine Weiterreise nach Tibet
Vergebens suchen wir nach dümpelnden Fischerbooten, planschenden Kindern und stoisch kauende Wasserbüffeln, nirgends lachende Frauen, die hier ihre Wäsche waschen, nicht einmal ein Fischreiher, der seine Runden dreht. Trotzdem hat der Fluss hier oben seinen besonderen Reiz. Kein Diesel, kein Abwasser, die Stille, seine Jungfräulichkeit. Der australische Extremsportler Mick O’Shea, dessen abenteuerliche Paddeltour mit dem Kajak im Jahr 2004 vom tibetischen Hochplateau bis ins Südchinesische Meer nach Vietnam führte, war wahrscheinlich der erste Mensch, der in einem Boot den wilden Lancang Jiang in dieser rauen Berggegend bereiste.

Die Weiterfahrt in Richtung Norden wird uns verwehrt. Ohne Permit, keine Einreise nach Tibet. In der autonomen Provinz, seit den Unruhen der Tibeter im März 2008 für Individualreisende so gut wie geschlossen, stehen in ein paar Tagen die Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der „friedlichen Befreiung“ Tibets durch Mao Zedongs Armee an. Da will man keine rumstreunenden Touristen, schon gar keine neugierigen Fotografen und Journalisten. Gäste sind nicht willkommen, man will eben unter sich „feiern“. Für uns ist hier leider der nördlichste Punkt am Mekong erreicht.
Neue Brücken über dem Mekong
Weiter flussabwärts, kurz vor Cizhong ist die Straße komplett gesperrt. China wühlt sich durch seine Berge. Schwere Baufahrzeuge fressen sich durch die wunderschöne Landschaft, bauen einen neuen Highway von Deqin nach Weixi. Die Straße wird für den Verkehr nur freitags ab sechs Uhr abends geöffnet, und das auch nur für zwölf Stunden, erfahren wir von einem Bauarbeiter – heute ist Sonntag. Was soll´s! Südwärts bis Vietnam gibt es genug Geschichten vom Mekong zu erzählen. Unsere Route, immer in gefühlter Nähe zum Mekong, kreuzt Städte wie Zhongdian (von der chinesischen Regierung umbenannt in den wohlklingenden Namen Shangri-La, um mehr Touristen anzulocken), das wieder aufgebaute Lijiang mit Weltkulturerbe-Titel, Dali und Kunming.

Schiffbar ist der Mekong aber erst ab Jinghong. Die quirlige Bezirkshauptstadt von Xishuangbanna liegt weit unten im Süden der Provinz Yunnan. Geprägt von der südostasiatischen Gelassenheit, der tropischen Schwüle und der Dai-Kultur fühlt sich die Stadt eher wie Thailand oder Laos an, wären da nicht die sozialistischen Parolen und Maos Konterfei auf Riesenpostern. Den Mekong überspannen eine neue und eine alte Betonbrücke, über denen pausenlos der Verkehr donnert, darunter werden Mopeds und Pick-ups gewaschen.
Grenzerfahrung am Mekong
Die Straßen strotzen vor Grün, alle zehn Meter stehen Palmen, frisch gepflanzt von der Stadtverwaltung. Der Frachthafen verlor allerdings in den letzten Jahren an Bedeutung. Weiter stromabwärts, von der Zoll- und Abfertigungsstation Guan Lei, starten jetzt täglich mehrere Cargoboote nach Thailand in die kleine Hafenstadt Chiang Saen am Goldenen Dreieck. Da wollen wir mit. Ab Guan Lei hat China den Mekong zum kommerziellen Highway für seine Frachtschiffe frei gesprengt. Wären da nicht die riesigen Wasserfälle in Süd-Laos, hätten die Frachter freie Fahrt bis ins knapp 2.800 Kilometer entfernte Drachen-Delta in Vietnam. Auf einem der rostigen Kähne bekommen wir nach zwei Tagen Wartezeit eine kleine Kabine. Die turbulente Fahrt ist eine Grenzerfahrung, sehr nah an den scharfkantigen Felsen, nah an der Besatzung, nah an Myanmar und Laos. Das braune Band des Mekong schlängelt sich als Grenzfluss zwischen den beiden Staaten mitten durch eine grüne Bergvegetation, verwundet durch Brandrodung, Abholzung und Kautschukplantagen für Chinas Reifenindustrie.


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„Mutter aller Wasser“: Thailand und Laos
Dem berühmt-berüchtigten Goldenen Dreieck, das Dreiländereck Thailand, Myanmar und Laos, verdankt der Mekong seinen Mythos. Hier, wo einst Drogensyndikate, Waffenschmuggler und Zuhälter im Schattenreich der Gesetzlosigkeit ihr Unwesen trieben, ziehen heute windige Geschäftemacher offiziell den Besuchern das Geld aus der Tasche, sei es mit billigem Schnick-Schnack in Souvenirläden oder mit einarmigen Banditen in den Spielkasinos auf burmesischer oder laotischer Seite. Da in Thailand offiziell das Glücksspiel verboten ist, baute ein thailändischer Investor kurzerhand ein Kasino in Myanmar. Auf der laotischen Seite pachten die Chinesen für 99 Jahre das komplette Ufer am Mekong und investieren kräftig in weitere kitschige Spielhöllen.
Nach jüngsten Untersuchungen hat hier wieder die Drogenkriminalität einen goldenen Boden. Gewaltsame Überfälle auf chinesische Frachter, die mit dem Drogenschmuggel in Verbindung gebracht werden, sind keine Seltenheit. Designerdrogen finden mehr als 1.000 Wege nach Thailand, so heißt es hier – da sind auch die Gesetzeshüter so gut wie machtlos. Neuerdings patrouillieren auf dem Mekong zwischen China und Thailand schwerbewaffnete Soldaten zum Schutz der Lastkähne. Es ist eben nicht alles nur ein Mythos, den das Goldene Dreieck umgibt.
Chiang Saen, Hafenstadt am Mekong
Ein paar Kilometer weiter, im thailändischen Chiang Saen, ist Endstation für unser chinesisches Frachtschiff „Jia Xiang 2“. Kapitän Nong findet kaum Zeit sich zu verabschieden. Die neue Fracht für den Rückweg nach China, etliche Paletten mit „M-150“ (das thailändische Red Bull), wartet schon an der Verladerampe. Noch ist Chiang Saen ein marginaler Punkt auf der Landkarte, wird aber in naher Zukunft zur bedeutendsten Hafenstadt am Mekong ausgebaut – natürlich auch von den Chinesen.

Lichterboote zum Vollmondfest „Huea Fai“
Man nehme: 12.000 Petroleumlampen, 200 Helfer, hunderte Stangen Bambus, 500.000 thailändische Baht (12.200 Euro) und schon ist das 29 Meter hohe und 84 Meter breite Floß für die Lichterprozession auf dem Mekong fertig. In Nakhon Phanom lernen wir zum Vollmondfest „Huea Fai“ die Designerin Pui kennen. Die 34-Jährige ist die erste Frau, die zu diesem Fest ein Lichterboot entwerfen und bauen darf. Über einen Monat haben ihre Leute für die Fertigstellung benötigt. Die Konkurrenz ist groß, fünfzehn weitere Riesenflöße treten bei einem Wettbewerb gegen das Team von Pui an. Ein Spektakel zu dem tausende Thais aus dem ganzen Land zum Mekong pilgern.


Laos, Land der munteren Gelassenheit
Viel ruhiger geht es in Laos zu. Das dünnbesiedelte Land hat seinen eigenen Rhythmus. Die Menschen passen sich an den Mekong und seine Fließgeschwindigkeit an. Niemand kann sich dem entziehen, auch wir haben mittlerweile gänzlich das Korsett aus Hektik und Ungeduld abgestreift. Die Begegnungen mit den Menschen sind hier so warm und unvergesslich wie das Licht der untergehenden Sonne am Mekong. Rot, Blau und Weiß sind die Farben der Staatsflagge. Nur das leuchtende Gelb, die Signalfarbe der laotischen Brauerei, fehlt. Beerlao ist für Laoten, wie der Diesel für Motoren, ein unverzichtbarer Treibstoff. Es gibt wahrscheinlich keinen Flecken in diesem Land, wo die knallgelben Kästen nicht zu finden sind. Der Hopfensaft aus Malz und Reis hat sich unter den Reisenden – uns mit einbegriffen – zum Kultgetränk entwickelt. Liebe auf den ersten Schluck!

Die bequemste Art den Mae Nam Khong, „Mutter aller Wasser“, zu bereisen, ist eine Flussfahrt mit einem der drei schicken Kabinenschiffe vom Berliner Unternehmen „Lernidee“. Nach dem Motto: Ablegen, ankommen und zwischendurch die Seele baumeln lassen, zieht auf der „Mekong Sun“ tagelang die Landschaft wie ein nicht enden wollendes Panoramabild an uns vorbei. Wir könnten hier aber auch eben so gut Statisten in einer kolonialen Schnulze sein – mit Bootsmanager Mister Oth als Hauptdarsteller. Er ist ein Mann der Taten. Geht nicht, gibt’s nicht! Das typisch laotische „bo pen njang“, macht nichts, lässt er nicht gelten. Sind das die deutschen Tugenden, die er von seinem Fernmeldestudium in Leipzig mitgebracht hat? Immer wenn Herr Oth die Geschichte vom Bau der „Mekong Sun“ und ihrer Jungfernfahrt nach China zum Besten gibt, schallt sein herzliches Lachen über den ganzen Mekong.

Tonle Thom und Fluss der Neun Drachen
„Angkor kann nichts toppen“, sagte unser Fahrer Sid zur Begrüßung in Siem Reap. Und er hat recht! Der Tempelkomplex der alten Khmer hat nicht nur diesen bröckelnden Charme einer Monumentalarchitektur, sondern auch eine riesige Ausdehnung im ewigen Grün des Dschungels. Ta Prohm hat es uns besonders angetan. Stundenlang sitzen wir auf einer Steinstufe und beobachten den lautlosen Kampf zwischen Mauerwerk und Wurzeln, der nie zu enden scheint. An den Wänden und Architraven finden wir in Stein gemeißelte Himmelsnhymphen, die tanzenden Apsaras, die schon im 12. Jahrhundert König Jayavarman VII. den Kopf verdrehten. Apsara-Tänzerinnen aus Fleisch und Blut besuchen wir im 350 Kilometer entfernten Phnom Penh. Frau Vong Metry, eine ehemalige Tänzerin im Königspalast, betreibt am Stadtrand die Tanzschule „Apsara Arts Association“. „Jugendkriminalität und Kinderprostitution sind in Kambodscha zwei sehr ernst zu nehmende Probleme“, erzählt Frau Vong. „Wenn man da nicht gegensteuert, landen viele Kids auf der Straße.“ Die Tanzschule ist gleichzeitig ein Waisenhaus. Hier versucht sie 77 Mädchen und Jungen, die auf der Straße leben oder von ihren Eltern verstoßen wurden, eine neue Perspektive zu geben.



Der träge Riese, auf dem wir uns weiter in Richtung Vietnam bewegen, wird hinter Phnom Penh so breit, dass wir fast das Gefühl für Geschwindigkeit verlieren. Einzige Bezugspunkte, die stählernen Sendemasten für den Mobilfunk, die vermehrt in den Himmel ragen, je näher wir zur Grenze kommen – man muss ja schließlich in Verbindung bleiben. Der Beamte am kambodschanischen Kontrollpunkt ist sichtlich missgelaunt uns zu sehen, die Pässe liegen vor ihm auf dem Tisch, seine Aufmerksamkeit gilt dem Fernseher, in dem sich zwei schwergewichtige Wrestler die Birne einhauen. Die Passkontrolleure auf der vietnamesischen Seite bekommen wir erst gar nicht zu Gesicht, unsere Dokumente verschwinden hinter einer schwarz getönten Scheibe. Wir warten, warten und warten mit Blick auf den Mekong, der ebenso lethargisch dahinfließt.
Fischzucht unter dem Wohnzimmer
Der Fluss liegt unter einer dichten Smogglocke schwelender Reisspreuhaufen. Nach der Ernte quellen die Mühlen mit Getreideabfällen über, die entweder im Mekong landen oder einfach verbrannt werden. Song Cuu Long, „Fluss der Neun Drachen“, nennen die Vietnamesen ihren Mekong. Er verteilt sein Wasser in acht Hauptarme, einen weiteren haben sie ihm einfach angedichtet – die Zahl Neun bringt in Vietnam viel Glück.
Unser Expressboot der Firma „Hang Chau Tourist“ biegt in den Bassac-Fluss ein. Kapitän Minh drosselt von nun an die Geschwindigkeit. „Unter den schwimmenden Häusern züchten die Menschen Fische“, erklärt Herr Minh. „Wenn ich hier mit Volldampf durchfahre, bekomme ich Ärger mit den Hausbootbesitzern.“
In Chau Doc besuchen wir einige der 300 Fischfarmen und erfahren, wie die Menschen mit dem Pangasius oder Karpfen unter dem Wohnzimmer leben. Bei Familie Hanh wird gerade abgefischt, bei Familie Nguyen schauen wir bei der Fütterung zu und im schwimmenden Haus der Phuongs werden wir zum Essen eingeladen.


Die amphibische Flusslandschaft ist Vietnams Reiskammer, Fischaufzuchtgebiet und Wirtschaftsmotor. Hört man vom Mekong-Delta, fallen einem aber auch die Bilder von amerikanischen Hubschraubern, brennenden Wäldern und drahtigen Vietkong-Kämpfern mit schwarzen Gummischlappen ein, die fast unbewaffnet gegen einen schier unbesiegbaren Goliat kämpften. Der Krieg ist lange vorbei. Heute lässt die sozialistische Regierung monumentale Denkmäler gegen einen neuen Feind errichten: das Vergessen. Vietnamesen möchten nicht an die Vergangenheit erinnert werden, sie schauen lieber in die Zukunft. Die Jugend interessiert sich nicht für den Vietnamkrieg, den man im Norden des Landes den amerikanischen Krieg nennt. Hier zählen vorrangig die drei großen „H’s“ – Hip-Hop, Honda, Hyperlinks.
Im Delta der Neun Drachen endet für den Mekong und auch für uns die lange Reise von China nach Vietnam. Wir konnten der Lebensader Südostasiens auf ihrem weiten Weg einige spannende Geschichten entlocken, aber die meisten Geheimnisse nimmt der Fluss mit ins Südchinesische Meer.

Tipps für eine Reise am Mekong
Einreise
Für die Reise in alle Mekong-Länder ist ein mindestens sechs Monate gültiger Reisepass erforderlich. Bei der zuständigen Botschaft für jedes Land bekommt man ein Visum. Das China- und Vietnam-Visum sollte vor Reisebeginn im Pass sein. Das spart Zeit. Oder man beantragt dies vor Einreise im Nachbarland. Wer mit dem Flugzeug oder über Land nach Thailand einreist, bekommt eine 30-tägige Aufenthaltserlaubnis. In Laos und Kambodscha gibt es das „Visa on Arrival“ an fast allen Flughäfen und Grenzübergängen. Passbilder nicht vergessen! Touristenvisa können in allen Ländern, meist in der Hauptstadt, verlängert werden.
Reisezeit
Die Mekong-Region kann generell ganzjährig bereist werden. Alle Länder außer Mittel- und Nord-Yunnan in China liegen in der tropischen Klimazone mit Temperaturen von 22 bis 35 Grad und hoher Luftfeuchte. Hauptsaison sind die Monate November bis März, in denen kaum Niederschlag fällt. Ins nördliche Yunnan sollte man im Frühjahr oder Herbst reisen, da der Winter Frost und Schnee bringt. Oder genug warme Sachen mitnehmen.
Für Thailand, Laos und Kambodscha ist die beste Reisezeit für eine Schiffsreise auf dem Mekong von Ende Oktober bis Januar. Kurz nach der Regenzeit führt der Mekong genügend Wasser und die üppige Vegetation hält sattes Grün bereit.
Das Mekong-Delta in Vietnam sollte man besser in der Regenzeit von Mai bis November meiden. Es kommt oft zu Überschwemmungen und die Temperaturen klettern über 33 Grad.
Gesundheit
Empfehlenswert ist der Impfschutz gegen Tetanus, Polio, Diphterie und Hepatitis A. Wer sich viel in ländlichen Gegenden aufhält, dem sind Impfungen gegen Tollwut und Japanische Enzephalitis anzuraten. Malariarisiko besteht besonders in der Regenzeit und während der Dämmerung. Helle lange Kleidung tragen, Insektenschutzmittel auftragen und gegebenenfalls unter einem Moskitonetz schlafen. Kein Risiko besteht in Großstädten und Höhenlagen ab 1.500 m. Mit Malariaprophylaxe vor der Reise beginnen oder bei Langzeitaufenthalt ein Stand-By-Medikament für den Notfall mitnehmen. Rechtzeitig vor Reiseantritt einen Tropenarzt konsultieren. Reiseapotheke nicht vergessen! Ein Vorteil ist eine Auslandskrankenversicherung mit Rückholtransport.

Sicherheit
Die Mekong-Anrainerstaaten gelten als sichere Reiseländer, auch für allein reisende Frauen. In Touristenhochburgen und bei Dunkelheit sollte man ein wachsames Auge auf sein Handgepäck haben. Taschendiebstähle kommen vor, Raub oder körperliche Gewalt sind eher selten. Den Goldschmuck und Wertsachen zu Hause oder im Hotelsafe lassen. Fotokopien von Visum, Pass, Flugtickets und Impfausweis sind hilfreich, sollten aber getrennt von den Originalen aufbewahrt werden. Aktuelle Infos: http://www.auswaertiges-amt.de
Geld
Wer auf der sicheren Seite sein möchte, nimmt eine Kreditkarte mit. Bargeld erhält man in Banken, an Wechselschaltern oder an Geldautomaten in allen Städten und Touristenzentren. Vorheriger Kauf ausländischer Währung lohnt meist nicht. In Yunnan kann man nur bei der Bank of China oder in größeren Hotels Geld wechseln. Etwas Bargeld in Euro und US-Dollar je nach Reisedauer mitnehmen, da einige Hotels in Kambodscha, Laos und Vietnam noch US-Dollar verlangen. Kleine Geldscheine z.B. für Trinkgeld sind immer praktisch. Reisende, die in abgelegene Gebiete fahren, sollten sich vorher mit genügend Bargeld eindecken.

Transportmittel
Leider ist der Mekong nur auf Teilstrecken schiffbar. In China kann der Tourist in Xishuangbanna, Süd-Yunnan, per Expressboot von Jinghong oder mit dem Frachtschiff von Guan Lei durch das Niemandsland zwischen Myanmar und Laos bis zum Goldenen Dreieck fahren.
In Thailand und Laos bieten Fahrer von Speedbooten ihre Dienste an. Ein sehr gefährliches Fortkommen. Die schmalen Holzboote brettern mit bis zu 70 km/h über die Wasseroberfläche. Unfälle passieren häufig. Aus eigener Erfahrung ist es ratsam, diese Boote zu meiden. Entspannend dagegen sind die Flussreisen mit den zwei luxuriösen Kabinenschiffen „Mekong Islands“ und „Mekong Sun“ in Laos. Wo keine Brücken sind, gelangt man mit kleinen Fährbooten über den Fluss, inklusive Räder und Moped. In Si Phan Don, Süd-Laos, bucht man eine Bootstour zu den Wasserfällen, Delfinen oder nur zur nächsten Insel in einem der vielen Gästehäuser oder direkt beim Fischer.
Die Grenzüberquerung per Expressboot von Phnom Penh nach Chau Doc ist eine angenehme Tagestour. In Vietnam schippert der Reisende mit dem Paddel- oder Motorboot durch die schmalen Kanäle im Mekong-Delta oder zu einem schwimmenden Markt.
Leihwagen, Mopeds und Fahrräder zum Selbstfahren werden in den meisten Touristenorten angeboten. Mit Ausnahme von Yunnan, wo das Auto mit Fahrer gemietet werden muss. Bei Mietfahrzeugen vor Fahrtantritt den optischen Zustand, Bremsen und Bereifung prüfen.

Unterkunft
In allen Touristenzentren stehen viele Übernachtungsmöglichkeiten für jedes Reisebudget zur Verfügung. Gästehäuser bieten saubere Zimmer mit und ohne Klimaanlage ab 10 Euro an. In der Mittelklasse ist die Auswahl groß und beginnt ab 25 Euro, teilweise inklusive Frühstück. Luxushotels gibt es nur in einigen Orten. In der gehobenen Kategorie werden auf den Zimmerpreis eine Servicegebühr und Steuern aufgeschlagen.
Überprüfen sollte jeder vorher die Matratzen, Türschlösser und die Distanz zum nächsten Bar oder Diskothek. Einige Hotels sind bei Vorbuchung im Internet günstiger.
Kleiner Länder-Knigge
Andere Länder, andere Sitten! Höflichkeit und Respekt haben einen hohen Stellenwert in den Mekong-Ländern. Der so genannte Gesichtsverlust spielt dabei eine wichtige Rolle. Laut anschreien, wild gestikulieren, Wut und Ärger zeigen oder scharfe Kritik üben – Dinge, die man tunlichst vermeiden sollte. Mit Selbstbeherrschung und einem Lächeln erreicht man in Asien wesentlich mehr.
Besonders die Thais, Laoten, Kambodschaner sind ruhige und tolerante Menschen. In Tempeln und Privatwohnungen gilt es Etikette zu wahren. Schulter- und Kniebedeckte Kleidung tragen, Schuhe vor der Tür ausziehen. Füße nie in Richtung Menschen und Buddha-Statuen ausstrecken. Nur mit der rechten Hand essen oder Gegenstände an Personen übergeben, denn die Linke gilt als unrein. Austausch von Zärtlichkeiten zwischen Frauen und Männern in der Öffentlichkeit sind verpönt. Baden oder sonnen oben ohne geht gar nicht.
In Vietnam wird schon eher zur Begrüßung die Hand geschüttelt. Auf dem Markt ist Geräuschpegel hoch. Hartnäckig handeln schafft Anerkennung und kann mitunter viel Spaß bringen.
Bei den Chinesen geht es da etwas rauer zu. Zum Beispiel bei den Tischmanieren: Sie essen gern, was nicht zu überhören und zu übersehen ist. Essenreste bleiben auf dem Tisch liegen oder landen auf dem Fußboden. Verhaltensweisen wie rücksichtsloses Gedrängel, laute Verständigung oder auf den Boden spucken stoßen bei Europäern oft auf Unverständnis.


Bildband Abenteuer Mekong
Der Bildband Abenteuer Mekong mit eindrucksvollen Aufnahmen und spannenden Reportagen nimmt dich mit auf die Reise in eine der aufregendsten Gegenden auf unserem Erdball. Schneebedeckte Berge und schwindelerregende Schluchten in Yunnan, das berühmt-berüchtigte Goldene Dreieck in Thailand, smaragdgrüne Reisfelder und rauschende Wasserfälle in Laos, alte Khmer-Stätten mitten im Dschungel Kambodschas oder das amphibische Delta mit den schwimmenden Märkten in Vietnam sind nur einige Highlights am knapp 5000 Kilometer langen Mekong.

Abenteuer Mekong *
Für diesen Bildband sind wir insgesamt sieben Monate auf dem Mekong von China (Yunnan) bis nach Vietnam gereist.(*) Transparenz-Hinweis: Dieser Beitrag enthält Werbe- / Provisionslinks. Mehr Infos im Impressum.
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