Lancang Jiang: Chinas wilder Mekong
Mal zwängt sich der Lancang Jiang ungezähmt durch enge Schluchten, andernorts fließt er schüchtern durch weite Ebenen oder er rebelliert als Grenzfluss zwischen China und Thailand, wo er zum Komplizen der Drogendealer und Waffenhändler wird.
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INHALT: Der Mekong in China 1. » Yunnans wilder Fluss 2. » Lijiang 3. » Mit dem Frachtschiff nach Thailand |
Der Lancang Jiang im Süden Chinas
Allein reisen in Yunnan? Keine Chance! Sehenswürdigkeit ohne Megaphon-Beschallung? Fehlanzeige! China ist dabei den Südwesten mit Autobahnen zu vernetzen, um die einheimischen Touristen bequem zu den Meili-Schneebergen, Shangri La, Lijiang oder Dali zu bringen. Dafür fressen sich Baumaschinen durch Berge, Wälder und Reisfelder bis an den Rand vom Himalaya. Von dort schlängelt sich der mächtige Strom Lancang Jiang, der später Mekong heißt, bergab durch Chinas Südwesten bis ins tropische Xishuangbanna. Auf seiner wilden Talfahrt durch tiefe Schluchten wird der Fluss in der Provinz Yunnan nur durch drei Staudämme gebremst. Yunnan ist nicht das typische China. Im Reich der Mitte zählt das „Land südlich der Wolken“ zu der buntesten Provinz mit 26 offiziell anerkannten ethnischen Volksgruppen, unter denen die Dai, Naxi, Yi und Bai am zahlreichsten vertreten sind. Der ganzjährig von Schnee und Eis bedeckte Khawa Karpo (6.740 Meter) ist der höchste Berg und zudem heilig. Folgt man den Strom immer weiter südlich, wird die Landschaft grüner. Kautschuk, Bambus, Riesenfarne und unberührter Regenwald rahmen den Mekong ein. Schiffbar wird der Fluss erst ab Jinghong mit einem Schnellboot oder ab Guan Lei mit dem Frachtschiff.

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Lijiang – Stadt der vorgespielten Vergangenheit
Lijiang zerfließt auf der Zunge. Der Name assoziiert dieses Sehnsuchtsvolle nach Ferne und Exotik, dem kein Reisender widerstehen kann. Lijiang klingt nach bimmelnden Glöckchen im Wind, Tee schlürfenden Männern auf dem Dorfplatz, menschenleeren Gassen und singenden Frauen bei der Arbeit. Jedenfalls für denjenigen, der noch nicht in Lijiang war! Wer hier den Zauber der Vergangenheit sucht, wird wahrscheinlich enttäuscht. Die Stadt am Fuß des Jade-Drachen-Berges, dem Yulong Xueshan, hat sich auf chinesische Reisegruppen eingestellt – auf Massen von Reisegruppen. Im Minutentakt durchwandern Reiseleiter mit Megafon und bunten Fähnchen, gefolgt von Fotohandy schwenkenden Touristen, Lijiangs gepflasterte Gassen in der Altstadt.

Bis zu dem verheerenden Erdbeben 1996 wohnten in den ein- bis zweistöckigen Häusern mit den typisch geschwungenen Dächern noch viele Naxi-Familien, eine lokale ethnische Minderheit mit 300.000 Menschen. 1997 bekam Lijiangs Altstadt den Titel Weltkulturerbe von der UNESCO und wurde schnell zum größten Freilichtmuseum in Yunnan. Seitdem wird an allen Ecken gehämmert, gehobelt, verputzt und ausgebaut. Die Naxi spielen nur noch eine Statistenrolle zwischen dem restaurierten Gemäuer. In ihren Häusern hat längst der Kommerz Einzug gehalten. Anstelle der gemütlichen Sitzecke und dem Küchentisch stehen jetzt Glasvitrinen, Bartresen, Bankschalter, Rezeptionen, Büromöbel und Prospektständer in den ehemaligen Wohnräumen.
Lichtermeer am Abend
Ignoriert man den Massenandrang und öffnet nur die Augen für die Altstadt, finden sich in dem Gassenlabyrinth seicht dahinplätschernde Kanäle, überspannt von verzierten Brücken unter Schatten spendenden Trauerweiden. An jeder Ecke fallen die archaischen Piktogramme auf. Die Kultur der Naxi hat die eigenwillige Dongba-Schrift hervorgebracht. Heute zieren die Hieroglyphen alles was verkäuflich ist – Suppenlöffel, Ohrringe, T-Shirts, Seidenschals oder Teedosen.

Die komplette Altstadt, besonders die Kneipenmeile, wird am Abend von Hunderten roten Lampions illuminiert. Vor jedem Lokal animieren Trachtengirls mit Getränkekarten die vorbeischlendernden Besucher zum Eintreten. Innen tanzt die andere Schicht auf der Bühne nach schrillen Ethno-Klängen und dazu fließt bei den trinkfesten Gästen das Lancang-, Dali- oder Harbin-Bier in Strömen.

Wer früh aufsteht, bekommt noch Einblicke in das alte, unverfälschte Lijiang. Im „Park am Teich des Schwarzen Drachens“, von dem man übrigens den schönsten Postkartenblick auf das schneebedeckte Jade-Drachen-Bergmassiv hat, praktiziert eine Gruppe älterer Frauen ihre morgendlichen Übungen im Schattenboxen, dem Tai Chi. Ein Musikertrio stimmt unter hochgewachsenen Zedern ihre antiken Instrumente. Vor dem Deyue-Pavillon rauchen spitzbärtige Männer selbstgedrehte Zigaretten und palavern über Preise für Reis und Zierfische. An einem Vierertisch bringen Mahjong-Spielerinnen mit viel Gelächter ihre Steine in Position. Am nördlichen Ende des Drachen-Sees lernen wir Herrn Wong kennen, der mit seinem Singvogel ein ruhiges Plätzchen aufsucht. Herr Wong erzählt uns, dass er immer frühmorgens in den Park kommt, weil er hier dem Vogelgezwitscher ganz ohne Nebengeräusche lauschen kann. Er hängt den Vogelkäfig an ein Gestell im Bambusgarten, setzt sich auf die Holzbank zu zwei anderen Vogelbesitzern und sagt keinen Ton mehr. Viel Zeit bleibt ihm auch nicht bis die Megafone der Reiseleiter wieder die Stille zerreißen.




Mit dem chinesischen Frachtschiff nach Thailand
Dieser Mann muss ein Gedächtnis wie ein Pottwal haben. Kapitän Nong manövriert unseren Frachter im ewigen Zickzackkurs ohne Navigationskarte millimetergenau durch das aufgeschäumte Wasser, vorbei an messerscharfen Felsklippen und angestauten Sandbänken. Sein Blick klebt auf der milchkaffeebraunen Wasseroberfläche. Herr Nong kennt die Gefahren, die im Wasser lauern und jederzeit den Schiffsrumpf wie eine Blechdose aufschlitzen können. Ein waghalsiger Kapitän? Nein! Seitdem chinesische Unternehmen die Fahrrinne nach Thailand frei sprengten, ist Kapitän Nong mit seiner Crew auf dieser Mekong-Passage unterwegs. Er erzählt, dass seine erste Fahrt vom südchinesischen Guan Lei bis zu unserem Ziel, die kleine thailändische Hafenstadt Chiang Saen, mindestens drei Tage dauerte. „Heute kenne ich die Hindernisse. Bei gutem Wetter schaffen wir es mit einer Übernachtung in 23 Stunden“, ist er sich sicher. „Nur das Treibholz ist unberechenbar. Dümpelnde Baumstämme kosteten mich schon so manche Schiffsschraube.“


Im Niemandsland zwischen Myanmar und Laos
Die „Jia Xiang 2“, so heißt unser 60 Meter langes Cargoboot, nahm die Fahrt mit einem Tag Verspätung auf. Der LKW mit Kapitän Nongs Teilfracht, Klimaanlagen für ein neues Kasino im Goldenen Dreieck, steckte auf der kurvigen Landstraße hinter Xieng Shu fest. Im Frachthafen Guan Lei, ein unscheinbares Nest mit einem neugebauten Zoll- und Abfertigungsgebäude, das wie ein gelandetes Ufo wirkt, stauten sich schon die wartenden Lastkähne.
Jetzt befinden wir uns seit vier Stunden im Niemandsland. Auf der rechten Seite Myanmar, links Laos, beide Länder mit kleinen Ansiedlungen, Bananenfeldern und Kautschukplantagen. Eine Stunde vor Sonnenuntergang passieren wir den Soah Loi Ferry Checkpoint. Hier ankern 20 Lastkähne, die alle am nächsten Morgen weiter stromaufwärts wollen. Die Rostlauben heißen Wei Dong 2, Jia Fu 3, Guang Yi oder Xi Ding 8 und sehen nicht gerade wie der Stolz eines Kapitäns aus. Was man nebenbei bemerkt von unserem Mekong-Frachter auch nicht behaupten kann.


Frau Yan schnippelt in der engen Bordküche für das Abendessen frisches Gemüse, wäscht Mu-Err-Pilze und brät in Streifen geschnittenes Schweinefleisch an. Die gute Fee arbeitet seit vier Jahren auf der „Jia Xiang 2“ als Köchin, Putze und verwaltet die Schiffskasse. Wenig später halten wir mit einem kräftigen Ruck an einer Sandbank. Das monotone Vibrieren von Stahl und Blech endet abrupt, jetzt sorgen Grillen, Frösche und Vögel für Nachtgeräusche.
Willkommen im Goldenen Dreieck
Kapitän Nong steht nach dem Essen an der Reling mit einem Harbin-Bier in der Hand – wir haben der Crew einen Kasten spendiert – und schaut in den tiefschwarzen Dschungel. „Seht ihr das Glühwürmchen dort drüben?“, fragt er und zuckt mit den Schultern. „Vor einigen Jahren gab es hier noch Tausende.“
Sechs Uhr früh husten schon wieder die Motoren schwarze Rauchwolken in die frische Morgenluft. Eine dichte Nebelwand liegt über den Fluss, die Dschungelriesen gleichen vielarmigen Gespenstern. Der Mekong wird breiter, die Fahrt ruhiger, die Motoren halten ihren Rhythmus. Ein paar laotische Fischerboote und knallbunte Speedboote kommen uns entgegen. In der Ferne leuchtet der Buddha vom Goldenen Dreieck. Willkommen in Thailand.




Bücher: Flussreisen und Kreuzfahrten

Abenteuer Mekong *
In diesem Buch findest du mehr Fotos, Infos und Reportagen von unserer Reise entlang dem Mekong.
Merian: Entlang berühmter Flüsse*
30 Reisen in faszinierende Welten am Wasser
ISBN: 9783834232793
Preis: 34,00 €