Mit dem E-Roller die Tempelebene in Bagan erkunden
Im Herzen Myanmars befindet sich das flächenmäßig größte aus Stein erbaute Geschichtsbuch Südostasiens. In der Tempelebene von Bagan lässt es sich auch mit geöffneten Augen träumen. Eine Tour mit dem E-Roller in die Vergangenheit.
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Mit Vollstrom zum Sonnenaufgang
Es ist stockdunkel. Der Himmel wolkenlos, die Sterne funkeln. Straßenbeleuchtung – Fehlanzeige. Links und rechts vor den Restaurants flackern kleine Feuer, an denen sich die Menschen bei einer Tasse Tee die Hände wärmen. Fast lautlos surrt mein Elektroroller an ihnen vorbei, als wolle er sie nicht beim Frühstück stören. Ab und zu rappelt es kurz, wenn ich ein Schlagloch übersehe. Vor fünf Minuten bin ich vom „Bagan Nova Guest House“ in Neu-Bagan losgefahren. Der Nachtportier Saw Tin hat, wie versprochen, die Akkus von meinem E-Mofa bis zum Anschlag aufgeladen. Alles, auch der Zeiger, ist im grünen Bereich. Jetzt habe ich nur noch 15 Minuten bis zum Sonnenaufgang. Augen auf und Vollstrom!


Tempel zeigen sich schüchtern im Morgennebel
Wenig später klettere ich über verstaubte Steinstufen, barfuß versteht sich, auf die Terrasse der Minyeigon-Pagode und schaue nach Osten. Niemand ist hier oben, und niemand der mich mal kurz kneifen kann. Träume ich das alles was ich sehe? 360-Grad-Märchenlandschaft: Über der weiten Ebene vor mir hängt noch der Morgendunst aus dem sich schüchtern einzelne Fragmente und Tempelspitzen der hier stehenden 2200 Heiligtümer zeigen. An den buschigen Wipfeln der schlanken Palmyrapalmen, die hier überall in der Landschaft stehen, klammern sich zaghaft letzte Nebelfetzen. Ein leichter Windhauch lässt die Metallglöckchen an den Pagoden sanft erklingen. Außer dieser göttlichen Stille ist weitab das monotone Tuckern eines stromaufwärts fahrenden Lastenkahns auf dem Ayeyarwady-Fluss zu vernehmen, hin und wieder melden sich ein paar Hähne. Der Nebelschleier löst sich weiter auf und gibt langsam alle gigantischen Bauwerke frei.

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Zeitzeugen streng religiöser Verbundenheit
Wenige Minuten vor Sonnenaufgang breitet sich für einen kurzen Moment das rötliche Morgenlicht wie ein wärmender Mantel über der Tempelebene aus, verwandelt die Bauwerke in fantasievolle Märchenschlösser – zuerst den goldenen Ananda-Tempel, dann den Thatbyinnyu Patho, die Shwesandaw-Pagode und immer mehr der buddhistischen Sakralbauten. Die Szenerie gleicht eher einer aufwendig gestalteten Hollywood-Kulisse in einem kitschigen Disney-Streifen, als einem monumentalen Zeitzeugen streng religiöser Verbundenheit. Niemanden würde es wundern, wenn hier ein paar Hobbits ihr Unwesen treiben. Jetzt ist genau der Zeitpunkt, an dem man die Uhr am liebsten anhalten und den Blick nicht mehr abwenden möchte. Ein Schauspiel, das man nie vergisst, das sich tief ins Gedächtnis einbrennt. Noch ist das Gesehene nicht richtig verarbeitet, schon erhebt sich majestätisch der orangefarbene Sonnenball über dem Horizont und mit ihm wenigstens zehn fauchende Heißluftballons. Die tief stehende Sonne überflutet die Jahrhunderte alten Bauwerke mit ihrem gelb warmen Licht. Spätestens jetzt weiß ich, warum ich mein Hotel in der nächtlichen Dunkelheit verließ und mich den kühlen Steinstufen der Minyeigon-Pagode gestellt habe.

Staubige Piste und Sandwege in Bagan
Immer noch etwas von der grandiosen Tempel-Show benebelt, sirrt schon wieder mein dunkelroter Flitzer mit 15 Stundenkilometer über staubige Pisten zwischen alten Gemäuer, Kakteen und Steppengräser. Das sakrale Freilichtmuseum lässt sich auch individuell mit dem Fahrrad, einer Pferdekutsche oder einem Taxi erkunden. Mir ist das lautlose E-Gefährt angenehmer, weil er unabhängig macht – außer von der Steckdose – und ich nicht bei 35 Grad im Schatten mit einem Fahrrad meine letzten Kraftreserven abstrampeln möchte.



Ein paar Sandwege weiter biege ich links ab zum Ananda-Tempel. Die wohl beeindruckendste Pagode, auch Tempel der unendlichen Weisheit genannt, leuchtete schon weit sichtbar über die ganze Ebene mit ihrer 50 Meter hohen, vergoldeten Spitze. Ich stelle meinen Roller am Souvenirshop vom Ma Suy Suy ab und verspreche ihr nachher für den Security-Dienst ein Mitbringsel für die Daheimgebliebenen aus ihrem Sortiment zu kaufen.

Die Kühle im Ananda-Tempel erfrischt kurz. Die schummrig beleuchteten Gänge führen um einen massiven Betonquader mit vier 12 Meter hohen und mit Blattgold belegten Buddha-Figuren. Aus zahlreichen Nischen lächeln mich sanft Buddha-Statuen an, vermitteln einen Ort der meditativen Ruhe – wenn nicht gerade ein Bus diese Reisegruppe aus Frankreich ausgeschüttet hätte.

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Geschichtsstunde über Bagan
Wie wäre es jetzt mit ein wenig Geschichte? Die Tempelebene Bagan ist neben dem Heiligtum Borobudur in Indonesien und Angkor in Kambodscha, die flächenmäßig größte aus Stein errichtete Manifestation des buddhistischen Glaubens in Südostasien. Von einer der vielen Aussichtsterrassen ist es nicht allzu schwer sich vorzustellen, wie die damalige Königsstadt Bagan vor knapp 1000 Jahren mit ihren geschätzten 13 000 religiösen Monumenten ausgesehen haben muss. Ein Meer von verzierten Tempeldächern, goldenen Pagodenspitzen, Teakholzklöstern und Königspalästen müssen hier einst gestanden haben. Erst ab dem Jahre 1044 lässt sich der Werdegang der Tempelstadt einigermaßen chronologisch nachvollziehen. In dem Jahr bestieg König Anawrahta den Thron in Bagan und gründete damals das burmesische Reich.

König Anawrahta fördert den Buddhismus
Nach einer Überlieferung, lehrte ein buddhistischer Wandermönch aus dem südlichen Mon-Staat dem König Anawrahta die Grundzüge vom Buddhismus. Der König war sofort begeisterter Anhänger dieser Religionsrichtung und wollte in seinem Reich den Glauben einführen. Bisher hat die burmesische Bevölkerung an einem Mix aus Animismus, Hinduismus und Buddhismus geglaubt. Dabei standen die Nat, eine erdnahe Geistergemeinde, im Vordergrund der Anbetung. Um in den Buddhismus zu konvertieren, benötigte König Anawrahta die heiligen Schriften Tripitaka.

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Die in der indischen Gelehrtenschrift Pali verfassten Mönchsregeln und Abhandlungen der buddhistischen Philosophie lagen im südlichen Mon-Staat bei König Manuha. Anawrahta sendete einen Boten in dessen Hauptsitz nach Thaton. Manuha verweigerte ihm seine Bitte, Kopien der heiligen Schrift mit nach Bagan zu nehmen. Erzürnt zog daraufhin Anawrahta mit einem mächtigen Heer in den Süden und überrannte den Mon-Staat, legte das Zentrum Thaton in Schutt und Asche und nahm das Tripitaka und 30 000 Gefangene mit in sein Reich. Unter ihnen viele Künstler, Architekten, Baumeister und Handwerker, die genau diesen Baustil, der uns hier heute so fasziniert, prägten. So, genug mit trockener Geschichte!

Souvenirs kaufen im Tempel-Shop
Wieder draußen am Elektroroller kaufe ich mir bei Ma Suy Suy eine handgeschnitzte Marionette, die schon etwas Bagan-Staub angesetzt hat. „Das ist der treue Prinz Minthar“, erklärt sie mir. „Es gibt noch weitere 28 Charaktere in unserem Puppentheater. Vielleicht möchtest du auch die Prinzessin kaufen, damit sich Prinz Minthar nicht ganz so allein fühlt?“ Ich lächele. Das ist die nette unaufdringliche Bescheidenheit der burmesischen Verkäuferinnen.
Mein Flüsterroller lässt sich von Sand und Schotter nicht beeindrucken. Jetzt, wo die Mittagshitze prasselt, weht mir der Fahrtwind eine angenehme Kühle ins Gesicht. Bis zum frühen Nachmittag konnte ich gemütlich zu weiteren Highlights, wie den Thatbyinnyu Patho, die Bupaya am Ayeyarwady, die Sulamani, Mingalazedi-Pagode und wie sie noch alle heißen, holpern und auf meiner To-do-Liste abhaken. Jetzt bin ich auf dem Weg zur Shwezigon-Pagode nach Nyaung U und die Stromanzeige von meinem Roller steht schon auf Halbmast.

Besuch im Ever Stand Lacquerware Workshop
Bagan ist nicht nur die Stadt der Tempel und Pagoden, hier wird auch in vielen Werkstätten eine sehr aufwendige Lackkunst betrieben. Also mache ich eine Pause an der Bagan-Nyaung-U Road im „Ever Stand Lacquerware Workshop“ von Herrn U Maung Maung. Hier darf ich meinen treuen Begleiter mit neuer Energie füttern und einen Rundgang durch seine alteingesessene Manufaktur machen. Bei alltäglichen Gebrauchsutensilien bis hin zur königlichen Schatztruhe und geistlichen Devotionalien fand und findet diese Kunst noch heute ihre Anwendung.

Die harzigen Ausscheidungen des Lackbaumes Melanorrhoea usitatissima sind der Grundstoff für die kunstvolle Feinarbeit der Burmesen. Wie bei der Kautschukgewinnung ritzen die Lacksammler die Rinde am Baum keilförmig an und hängen ein Auffanggefäß an den unteren Schnittpunkt. Ein geflochtener Korpus, aus Bambus oder Rosshaar, wird mit dem schwarzen oder rostbraunen Lack in mehreren Schichten überzogen, tagelang getrocknet und anschließend spiegelglatt poliert. Das farbige Mehrschichtsystem mit aufwendigen meist religiösen Ornamenten erreichen die Künstler durch Einritzen der jeweils oben liegenden Lackschicht. Mittlerweile hat sich eine ganze Lackindustrie auf die Herstellung touristischer Mitbringsel spezialisiert. Eine flache Schale mit Buddha-Bildnissen landet in meinem Rucksack, zehn US-Dollar wechseln den Besitzer.



Beauty-Tipps mit Thanaka zum Lunch
Ein paar Häuser weiter lerne ich San San Lwin kennen. Die 34-Jährige betreibt mit ihrer Familie ein kleines Restaurant in der Nähe der Shwezigon-Pagode. Das Restaurant ist rappelvoll, Pilger aus Yangon machen hier gerade Siesta. Ich bestelle mir das typisch burmesische Essen: mindestens zehn kleine Schälchen mit Reis, bunten Salaten, milden Currys, Palmzucker, frisches Obst und eingelegten Teeblättern mit Erdnüssen. Mahlzeit! Nach dem Essen führt mich San San Lwin in die burmesischen Beauty-Geheimnisse ein: Thanaka-Rinde, Wasser und ein rauer Reibestein ist alles was man oder besser „frau“ für ein Öko-Hautpflegemittel benötigt. Sie reibt etwas Rinde auf den feuchten Stein und trägt mir die frische Paste hauchdünn auf Wangen, Stirn und Nase auf. Liebe Kosmetikfirmen, es müssen nicht immer Glycerin, Panthenol und Acrylate sein.



Sonnenuntergang an der Shwesandaw-Pagode
Auf dem Rückweg wirbelt eine Armada aus Bussen, Taxis, Elektorollern und Pferdekarren den Staub zur Shwesandaw-Pagode auf und erschüttert mal wieder den kurz gewonnenen Eindruck, dass Myanmar doch noch ein weitgehend unberührtes Land ist. Die Sonne steht schon tief. Mindestens ein Sonnenuntergang in Bagan ist Pflicht. Am Aufstieg herrscht dichtes Gedränge, die Nischen füllen sich, Smartphones und Fotoapparate sind im Anschlag. Von hier oben eröffnet sich in alle Himmelsrichtungen ein atemberaubender Rundumblick. Nicht die einzelne Pagode oder das Tempeldetail, sondern alle Bauwerke in ihrer Gesamtheit machen Bagan zu einem unvergesslichen Erlebnis.

Zwangsumsiedlung in Bagan für Touristen
Bei all der Schönheit, die einem hier umgibt, sollte man nicht vergessen, dass 1990 eine erbarmungslose Zwangsumsiedlung der einheimischen Bevölkerung durch die Militärregierung erfolgte, um für Touristen diesen märchenhaften Blick frei zu räumen. Dadurch entstand weiter südlich das quadratisch angelegte Neu-Bagan – eine Ansiedlung, die in kurzer Zeit aus dem staubigen Boden gestampft wurde. Heute stehen dort die meisten Unterkünfte vom Low-Budget-Hostel bis zur schicken Luxusherberge. Mittlerweile hat sich die Bevölkerung mit dem Tourismus gut arrangiert, viele ambulante Händler leben ausschließlich von den Einnahmen aus Souvenirverkäufen. Der 2005 errichtete Nan Myint Tower mit Restaurants, Büros, Konferenzräumen und Souvenirshops stößt bei den Einheimischen nicht auf Gegenliebe. Mag der Aussichtsturm die Heiligtümer vor dem sukzessiven Zerfall durch das tägliche Besteigen schützen, so zerstört er aber auch – selbst in den Augen der UNESCO – das beeindruckende Landschaftsbild und viele Arbeitsplätze der hiesigen Bevölkerung.


Jeden Morgen das gleiche Schauspiel in Bagan
Es wird rasch dunkel. Der Lichtkegel vom Elektroroller verfängt sich im Staub der Straße. Jetzt bin ich tempelmüde und surre in Richtung New Bagan. Mein Blick wandert kurz zum Himmel, es ist sternenklar. Morgen früh wird Bagan wieder einer Hollywood-Kulisse für einen Disney-Streifen gleichen. Ich werde das Schauspiel vermissen!
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