Vietnam – Leben am Neun-Drachen-Fluss
Glatt und träge liegt der Mekong im ersten warmen Morgenlicht. Wenn früh der Fluss erwacht, sagen die Vietnamesen, sei die schönste Zeit am Ufer etwas Sport zu treiben oder einen schwimmenden Markt zu besuchen.
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INHALT: Der Mekong in Vietnam 1. » Vietnamesen sind Frühaufsteher 2. » Mit dem Cyclo durch Saigon 3. » Fischzucht unter dem Wohnzimmer |
Vietnamesen sind Frühaufsteher
Wer das quirlige Leben im Mekong-Delta hautnah spüren möchte, sollte unbedingt Frühaufsteher sein. Fächertanz, Tai Chi und Säbelrasseln beginnen auf den Promenaden schon im Morgengrauen. Die schwimmenden Märkte in Chau Doc, Cai Rang oder Cai Be starten ebenfalls vor Sonnenaufgang und enden zum vietnamesischen Frühstück. Selbst der „Ca Phe Sua Naum“, heißer Kaffee mit Milch, schmeckt in den frühen Morgenstunden am besten. Lohnenswert ist ein Besuch in einer der 300 schwimmenden Fischfarmen auf dem Bassac-Fluss. Hier sieht man nicht nur Fische unter dem Wohnzimmer, sondern bekommt auch einen Einblick in das tägliche Leben auf wankenden Planken.


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TOP 20 » Asienkalender 2023
Überwältigt wird der Reisende im Delta vom üppigen Grün der Reisfelder und Mangrovenwälder. Die schmalen Kanäle auf der Insel Thoi Son gegenüber der Kleinstadt My Tho, wo knapp zwei Paddelboote nebeneinander Platz haben, laden für ausgedehnte Bootstouren zwischen Wäldern von Nipapalmen ein. Frau Huong, Hien, Lan und Yen, und wie sie sonst noch so heißen, warten hier immer auf zahlende Gäste. Auffallend im Delta sind die schwarz-weißen Augenpaare am Bug der meisten Schiffe, die vor bösen Geistern schützen sollen. Wie die Sampans gebaut werden, erklärt uns Herr Tung von der Schiffswerft „Phuoc Loi“ in Tam Thanh.








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Cyclo-Tour durch Ho Chi Minh City
Es war purer Zufall, dass Thanh jetzt Cyclofahrer ist. Vor zehn Jahren vertrat er seinen Freund Thien kurz bei einem Job. Ein Tourist wollte mit dem Cyclo vom Postamt zum Rathaus. Für fünf Minuten strampeln bekam Thanh zwei Dollar. Dafür muss er sonst den ganzen Tag mit dem Bauchladen Zigaretten verkaufen. Er entschloss, den Bauchladen an den Nagel zu hängen, ein Cyclo zu mieten und Touristen durch Saigon zu kutschieren.
Kein Zufall ist, dass ich Thanh vor unserem Hotel treffe. Hier wartet er immer auf Kundschaft. Als Thanh mich sieht, zückt er sofort eine Liste mit allen Sehenswürdigkeiten seiner Stadt. Mit einem einstudierten Redeschwall versucht er seine City-Tour zu verkaufen. „Es dauert ja nicht lange und kostet kein Vermögen“, verspricht er mit charmanten Lächeln. „Sechs Dollar pro Stunde inklusive aller Tourinformationen.“
Warum nicht? Wir tauchen ins Großstadtgewühl ein. Geschickt manövriert Thanh das Cyclo durch den chaotischen Verkehr. Ampeln zählen als überflüssige Straßenaccessoires. Manchmal ziehe ich instinktiv die Beine ein. Ich sitze auf Kühlergrillhöhe, allen Gefahren schonungslos ausgesetzt.
Hochbetrieb in der Thien-Hau-Pagode
Auf der Dai Lo Tran Hung Dao, die vierspurige Rennpiste für alles was Räder hat, geht es zuerst nach Cholon. In den verwinkelten Gassen des chinesischen Viertels, früher die Opiumhöhle Asiens, ist die Luft heute vom Duft traditioneller Medizin, glimmender Räucherstäbchen und brutzelnder Garküchen geschwängert. Vormittags herrscht Hochbetrieb in der Thien-Hau-Pagode, dem sakralen Zentrum der Chinesen. Die Spendenfreudigkeit der Pilger kennt kaum Grenzen. Von der kontemplativen Verehrung zeugen unzählige Räucherspiralen, die wochenlang an der mit schwarzen Ruß überzogenen Tempeldecke glimmen. Gebackene Spanferkel liegen auf den Opfertischen, Küchlein mit Glücksformeln und Lotusblüten türmen sich vor der Göttin der Seefahrer.



Zurück in Saigons pulsierende Innenstadt. Die Zwillingstürme der Kathedrale Notre Dame bestimmten ewig die Skyline der Stadt. Heute wirken sie im Schatten der gläsernen Shoppingcenter wie Miniaturausgaben. Die Gebetshalle haucht mir die angenehme Kühle eines Gotteshauses entgegen.
Postamt vom Architekt Gustave Eiffel
Thanh wartet mit dem Cyclo im Schatten der Kapokbäume und schickt mich gleich ins vis-a-vis gelegene Hauptpostamt. In dieser architektonischen Perle begrüßt Ho Chi Minh den Besucher mit einem sanften Lächeln. Sein Konterfei hängt in der gewölbten Schalterhalle über den Köpfen der Angestellten. Die zeitlose Eleganz der Kuppel, von Gustave Eiffel aus Stahl und Glas entworfen, ist ebenso transparent wie sein Turm in Paris.


Weiter geht’s zum protzigen Wiedervereinigungspalast. Ein Betonbau, in einer gepflegten Gartenanlage, der genauso gut in Berlin-Mitte stehen könnte – gesichtslos, rechteckig und unnahbar. Im Jahr 1966 als Unabhängigkeitspalast eingeweiht, wurde er neun Jahre später nach dem Fall Südvietnams von der kommunistischen Regierung in Wiedervereinigungspalast umbenannt. Thanh tritt kräftig in die Pedalen. Vorbei am legendären Hotel Continental, bekannt durch die Verfilmung von Graham Greenes Roman „Der stille Amerikaner“, weiter zum renovierten Stadttheater und dann zum „Hôtel de Ville“, dem ehemaligen Rathaus.
Flaniermeile Duong Dong Khoi in Ho-Chi-Minh-Stadt
Ho-Chi-Minh-Stadt ist die westlichste Stadt in Vietnam. Plateauschuhe, nabelfreie T-Shirts, der elegante Ao Dai und frisch gegelte Haare haben den Reishut und die Einheitstracht abgelöst. Das moderne Leben spielt hinter den Fassaden der beliebten Shoppingmeile Duong Dong Khoi. Designerläden, Schmucktempel, Gourmetrestaurants, Edelboutiquen und Elektronik vom Feinsten. In Saigon wird das meiste Geld verdient und wieder ausgegeben.
Für Thanh undenkbar in der Flaniermeile einzukaufen. Die Monatsmiete für sein Cyclo kostet umgerechnet zehn Euro. „Irgendwann kaufe ich mir mein eigenes Fahrradtaxi“, ist sich Thanh sicher. „Dann bin ich von dem Vermieter unabhängig.“ Viel Zeit bleibt ihn nicht mehr. Auch hier verschwinden die Cyclos, wie in vielen asiatischen Metropolen, langsam aus dem Stadtbild. Mopedschwärme verstopfen jetzt die Straßen, verdrängen das Sinnbild der asiatischen Gelassenheit und damit die Einnahmequelle für Thanh und seine Kollegen.



Fischzucht unter dem Wohnzimmer
Auf dem Fischmarkt in Chau Doc ist die Hölle los. Aufgeregte Markfrauen sitzen eng gedrängt auf Minihockern und schreien sich die Kehle aus dem Leib. Feilschen, Fuchteln und Lachen gehören in Vietnam zum Geschäft. Überall zappelt und plätschert es, der Boden ist glitschig, die feuchtwarme Luft steht wie eine undurchsichtige Mauer zwischen den Ständen. Nirgendwo sind Fisch und Meeresfrüchte so frisch wie in Chau Doc. Auf dem Bassac-Fluss, gleich hinter dem quirligen Morgenmarkt, züchten vietnamesische Familien in schwimmenden Häusern den Pangasius und Karpfen direkt unter dem Wohnzimmer.
Europas Lieblingsfisch: Pangasius
Wir besuchen den Familienbetrieb der Nguyens, die seit zwölf Jahren eine kleine Farm betreiben. Ihr schwimmendes Heim liegt nur fünf Bootsminuten vom Hafen entfernt, in einer der ruhigen Nebenadern des Flusses. Herr Nguyen knetet matschiges Fischfutter, seine Frau Nga bedient eine Art Fleischwolf, der gerade den dunkelbraunen Brei aus Fischmehl, Reisspreu und Wasserhyazinthen ausspuckt. Jeden Vormittag um neun Uhr ist Fütterungszeit. Ihr schaukelndes Reich ist auf leeren Benzinfässern gebaut. Der Drahtkäfig unter dem Ponton, in dem sich 40.000 Fische tummeln, hängt vier Meter ins Wasser. Durch eine zentrale Luke im Wohnzimmer füttern sie die Fische einmal am Tag und können ständig den Schwarm kontrollieren.

Herr Nguyen, seine Frau und ihre drei Kinder leben nicht schlecht von der Fischzucht, erfahren wir. „Seitdem der Pangasius auf dem Weltmarkt immer mehr gefragt ist, schläft auch die Konkurrenz nicht. Einige Investoren unterhalten Farmen mit mehreren Millionen Fischen“, weiß der 46-jährige Fischer. „Dagegen ist unser Unternehmen ein Zwerg.“ Im Jahr 2009 erhielten die Nguyens für ein Kilo Lebendgewicht knapp 19.000 Vietnamesische Dong, umgerechnet 70 Eurocent, jetzt, drei Jahre später klingeln etwas über ein Euro in der Familienkasse. Aber bis es soweit ist, muss sich der Pangasius in sieben Monaten ein Gewicht von ein bis anderthalb Kilogramm anfressen.



Ein paar Wasserstraßen weiter schaukelt das graublaue Holzhaus der Familie Hanh als fegt ein Orkan durch das offene Wohnzimmer. Hier haben die Fische ihre Verkaufsgewicht erreicht.
Abfischen im schwimmenden Haus
28 Helfer fischen gleichzeitig zwei Käfige unter dem Haus ab. Die Knochenarbeit muss schnell erledigt werden. Die Männer schultern Körbe mit 100 Kilo Lebendfisch, bringen sie ins Transportschiff „Phuoc Hong Trang 2“, dass unter Deck einen riesigen Wassertank hat. Die lebende Fracht soll so schnell wie möglich nach Ho-Chi-Minh-Stadt und dort verkauft werden. Wie die Nguyens und Hanhs leben über 300 Familien von der Fischzucht unter dem Wohnzimmer. Die großen Fischereibetriebe machen es ihnen schwer. In offenen Netzgehegen betreiben sie die Massenproduktion des Pangasius. Um die weltweite Nachfrage zu befriedigen, züchten sie auf immer kleineren Raum immer mehr Fische. Futterreste und Antibiotika fließen ungefiltert in den Mekong, kippen damit – nach einer Studie der Umweltorganisation WWF – das ökologische Gleichgewicht und verseuchen so das Wasser für die kleinen Familienbetriebe.



Bildband Abenteuer Mekong
Der Bildband Abenteuer Mekong mit eindrucksvollen Aufnahmen und spannenden Reportagen nimmt dich mit auf die Reise in eine der aufregendsten Gegenden auf unserem Erdball. Schneebedeckte Berge und schwindelerregende Schluchten in Yunnan, das berühmt-berüchtigte Goldene Dreieck in Thailand, smaragdgrüne Reisfelder und rauschende Wasserfälle in Laos, alte Khmer-Stätten mitten im Dschungel Kambodschas oder das amphibische Delta mit den schwimmenden Märkten in Vietnam sind nur einige Highlights am knapp 5000 Kilometer langen Mekong.

Abenteuer Mekong*
Für diesen Bildband sind wir insgesamt sieben Monate auf dem Mekong von China (Yunnan) bis nach Vietnam gereist.(*) Transparenz-Hinweis: Dieser Beitrag enthält Werbe- / Provisionslinks. Mehr Infos im Impressum.
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