Lampang: Thailands Klinik für misshandelte Elefanten
Landminen, Arbeitslosigkeit und Zivilisation setzen den letzten thailändischen Elefanten zu. Soraida Salwala hat für die Tiere das FAE Elephant Hospital in Lampang eingerichtet, in dem sie mit ihrem Team versucht, die seelischen und körperlichen Wunden der Dickhäuter zu heilen.
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Dauerpatientin und Minenopfer Motala
Motala heißt die Patientin mit den großen, grauen Augen und ewig langen Wimpern. Vorsichtig, beinahe ängstlich schaut sie ihren Pfleger Somchai an. Gehen soll sie wieder! Und zwar richtig. Kein Wunder, dass sie da unsicher ist, hatte sie doch vor Jahren ihren Fuß durch eine Mine verloren. „Na, komm! Einen noch.“ Somchai lockt sie mit süß-duftenden Bananen. Nur noch einen einzigen, einen kleinen Schritt! Behutsam verlagert Motala ihre drei Tonnen Gewicht auf das linke Vorderbein. Sie stemmt sich nach vorn. Sie steht. Geschafft. Somchai lächelt. Nach sieben Versuchen passt die neue Beinprothese der Elefantendame wie angegossen. Die schwergewichtige Patientin kann endlich entlassen werden. Allerdings nicht in den Dschungel, Somchai bringt sie zurück ins überdachte Gehege.

Motala bleibt Dauergast im Elefantenkrankenhaus der Stiftung „Friends of the Asian Elephant“. Ein Erfolg ist es trotzdem, auch wenn die Thailänderin Soraida Salwala oft von einer Auswilderung ihrer Schützlinge in ein natürliches Habitat träumt. 1993 hat die Tierschützerin das weltweit erste Elefantenkrankenhaus im Mae-Yao-Naturreservat nördlich von Lampang gegründet. Die Tiere, die hier landen, haben ganz unterschiedliche Geschichten. Sie zeugen alle vom Krieg und vom Niedergang einer uralten Tradition. „Viele Mahuts, das sind die Elefantenführer, gehen nicht mehr so sorgsam mit ihren Elefanten um wie früher, als ein Elefant noch etwas Besonderes war“, erzählt Soraida Salwala. Die Elefanten werden misshandelt, traktiert und mit Aufputschmitteln zu Höchstleistungen getrieben, ob bei der Arbeit, beim Betteln in den Großstädten oder im Trekkinggeschäft.

Der Traum von der eigenen Elefantenklinik
Tragisch. Anders kann man das Schicksal der Arbeitstiere nicht nennen. Vor einem Jahrhundert gab es im alten Siam noch mehr als 100 000 Elefanten. Heute hat sich der Bestand vom Elephas maximus, so heißt der Asiatische Elefant, in Thailand auf weniger als 4000 wilde und domestizierte Dickhäuter reduziert. Dabei hat der Elefant einen hohen symbolischen Stellenwert in dem südostasiatischen Staat: Er zierte die Flagge des alten Königreiches Siam. Schlachten wurden mit Kriegselefanten gewonnen und Prozessionen veranstaltet. Selbst heute wirbt das gerüsselte Konterfei noch für Bier, Zement, Reis und Flip-Flops.
Jedes Kind in Thailand kennt Elefanten. Soraida Salwala hatte als achtjähriges Mädchen ihr Schlüsselerlebnis mit ihnen. Als ihre Familie einmal einen Ausflug unternahm, entdeckten sie auf der Landstraße einen schwer verletzten Elefanten, der wohl von einem Lastwagen angefahren worden war und am Straßenrand seinem Schicksal überlassen wurde. Soraida sah, wie er um sein Leben rang und wollte das Tier so schnell wie möglich in ein Hospital bringen – aber es gab überhaupt keine Klinik für Elefanten. Unter Tränen musste sie das sterbende Tier zurücklassen. „Dass ich dem Tier nicht helfen konnte, nagt bis heute an mir“, sagt Soraida Salwala. „Schon damals stand für mich fest, wenn ich erwachsen bin, werde ich ein Krankenhaus für Elefanten gründen.“


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Behandlung für mehr als 3000 Elefanten
Seitdem die von Spenden finanzierte Elefantenklinik ihre Pforten öffnete, wurden hier über 3000 Patienten behandelt. Alles auf dem Gelände ist groß, extragroß: Fußbäder, Spritzen, Medizinflaschen und Tablettenrationen – passend für die zu behandelnden Tiere.
Die Beinamputation der Elefantendame Motala war die bisher größte Herausforderung der Tierärzte. Sie ist eines von vielen Minenopfern in dem seit Jahren schwelenden Bürgerkrieg zwischen dem Volksstamm der Karen in Myanmar. Im Grenzgebiet zu Thailand hatte damals die Militärjunta Myanmars weite Gebiete mit todbringenden Landminen verseucht.
Motalas Leidensgeschichte beginnt in einem Holzfällercamp, ganz in der Nähe der Grenze. Sie wurde zusammen mit ihrem Mahut angemietet, um tonnenschwere Baumstämme durch den Dschungel zu ziehen. Als ihr Mahut sie gleich am ersten Abend in den Wald zum Fressen brachte, passierte es: Motala trat auf eine Mine. Die Detonation war gewaltig und zerfetzte ihr den linken Fuß. Drei Tage benötigte der Mahut mit der humpelnden Motala bis ins Krankenhaus nach Lampang. Nach der Amputation mussten die Tierärzte und Pfleger Somchai das Bein neun Jahre lang versorgen, bis die Wunde endlich verheilte. Dann erst konnte man beginnen, eine Prothese anzupassen.

Beinprothesen für Elefanten
Auch das Elefantenmädchen Mosha ist ein Minenopfer und Dauerpatient. Sie trat beim Spielen an der Grenze auf eine burmesische Landmine. Gerade mal sieben Monate war das Jungtier alt. „Bei ihr verheilte der Fuß verhältnismäßig schnell“, erzählt die Tierärztin Cruetong Kayan. „Mosha bedeutet in der Karen-Sprache „Stern“. Sie kam in einer sternenklaren Nacht zu uns ins Hospital“, erzählt Kayan, „Mosha konnte ihre erste Prothese schon nach zweieinhalb Jahren tragen.“
Die künstlichen Beine spendet die „Protheses Foundation“ aus Chiang Mai. Boonyou Tipaya, Direktor der Prothesenmanufaktur, kommt vierteljährlich mit seinen Mitarbeitern in die Klinik und modifiziert die Kunstbeine von Motala und Mosha. Schweißgeräte, Schleifmaschinen, Werkbänke und Schraubzwingen verwandeln in dieser Zeit den Behandlungsraum in eine gut funktionierende Werkstatt. „Mosha ist in einem Alter, in dem sie sehr schnell wächst. Wir kommen mit den neuen Gehhilfen gar nicht mehr hinterher“, sagt Chef Boonyou.

Prothesen für Tiere sind im Prinzip nichts Ungewöhnliches und sollen genauso wie beim Menschen Beweglichkeit und Lebensfreude wiederherstellen. Die Technik ist grundsätzlichdie gleiche, auch wenn sie uns immer noch ungewöhnlich vorkommt. 2012 ist es erstmals gelungen, einer Katze, die zwei Beine durch einen Mähdrescher verloren hat, künstliche Pfoten anzupassen. Auch Hunde kommen mit so etwas zurecht. Es muss allerdings nicht der direkte Beinersatz sein. Bei der sogenannten Dackellähme können die Tiere ihre Hinterbeine nicht mehr bewegen. Die Lösung ist eine rollende Gehhilfe. Auch wenn sich ein Hund die Zähne ausbeißt, gibt es längst künstliche Reißzähne und Gebisse. Manche Sonderanfertigung schaffte es sogar in die Schlagzeilen: Vor drei Jahren ging die Geschichte des Delfins „Winter“ um die Welt. Er hatte seine Schwanzflosse durch eine Boje verloren und bekam eine neue – aus Kunststoff. Jetzt kann er wieder mit seinen Artgenossen mithalten. Auch die Weißkopfseeadlerdame „Beauty“ hat Glück gehabt. Ihr hat ein Jäger den oberen Schnabel weggeschossen. Mittlerweile trägt sie einen künstlichen aus Nylon. Einigermaßen absurd scheint dagegen die Prothese für kastrierte Hunde: künstliche Hoden aus Silikon, die in drei verschiedenen Größen erhältlich sind.


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Sorgenkind Frühchen Dantae
Tierärztin Kayan behandelt derzeit ein Elefantenbaby und elf ausgewachsene Jumbos im Krankenhaus. Da ist zum Beispiel die Elefantin Yui, 25, aus einem Trekkingcamp nördlich von Chiang Mai. Eine „Arbeitskollegin“ hatte ihr im Streit ein Stück vom Schwanz abgebissen. Die vereiterte Wunde wird von Cruetong Kayan zweimal am Tag mit einer Salzlösung gesäubert, desinfiziert und mit Jod behandelt. Mindestens einen Monat muss Yui noch in der Klinik bleiben, dann muss sie wieder Touristen durch den Wald tragen.


Einen Unterstand weiter binden derweil zwei Mahuts die 35 Jahre alte Somsri an einen stabilen Metallpfosten. Spritzen mag das massige Tier überhaupt nicht! Ihr Besitzer hat sie nach Lampang gebracht, weil sie nervös sei, immer im Kreis läuft und ihr Kot zu flüssig ist. „Eine Bakterieninfektion“, vermutet die Tierärztin. Sie bekommt Kohletabletten, versteckt in Bananen, und einmal am Tag ein Spritze. Ob sie während der Behandlungen keine Angst vor den Elefanten hat? „Nein, ich wollte schon immer mit großen Tieren arbeiten“, sagt die 1,49 Meter kleine Veterinärin.
Das Elefantenbaby Dantae ist ihr Sorgenkind. Sie ist ein Frühchen mit 28 Kilogramm, normal müssten es zwischen 100 und 150 sein. Das Kleine will nicht zunehmen und Dantaes Mutter gibt nicht genug Milch. Die Tierärztin ist Mutterersatz, sie füttert das Baby sechsmal am Tag mit lauwarmer Ziegenmilch aus einem roten Gummieuter.


Großstädte machen Elefanten krank
Soraida Salwala hat in ihrem Krankenhaus schon viele Fälle behandelt. Die häufigsten zeugen von einem Leben in der Stadt. Es sind Darmerkrankungen von schadstoffbelasteten Pflanzen, dem verschmutzten Wasser in Abflusskanälen und Alkohol, weil angetrunkene Touristen – nur mal so zum Spaß – den Tieren Bier zu trinken geben. Zudem schadet die von Abgasen verpestete Luft den Lungen, der tägliche Stress löst Verhaltensstörungen aus, die sich kaum behandeln lassen. Und schließlich gibt es häufig Schürfwunden und Knochenbrüche, weil die Elefanten von Autos, Motorrädern oder Lastwagen angefahren werden. In einigen Fällen sind die Tiere auch schlicht unterernährt.
Soraida Salwala kämpft unermüdlich um Spenden, um den Betrieb im Krankenhaus aufrecht zu erhalten und damit den kranken Elefanten zu helfen. Aber sie weiß, dass die Behandlung zwar die Schmerzen der Tiere lindert, aber nicht das Problem lösen kann, wie die Menschen mit den Elefanten umgehen. Wenn die Tierschützerin von dem Info-Zentrum hinunter zu den ihren Patienten schaut, muss sie oft an ihr schreckliches Erlebnis aus der Kindheit denken: Hätte es damals in Thailand so ein Krankenhaus gegeben, wäre es kein Problem gewesen, den angefahrenen Elefanten zu helfen und er würde vielleicht heute noch am Leben sein.


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