Vietnam – Aufbruch am Roten Fluss
Vietnam boomt, in den Städten zieht rasant das moderne Leben ein. Auf dem Land jedoch tickt die Uhr noch etwas langsamer. Das zeigt eine Reise in den bergigen Norden Vietnams, der lange Jahre für ausländische Besucher gesperrt war. Hier, zwischen Waldland und Reisterrassen, haben einige Volksstämme ihre kulturelle Identität ins 21. Jahrhundert retten können.
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Hey, wir sind Annett und Mario. Seit vielen Jahren arbeiten wir als Fotografen und Reisejournalisten. Unsere Schwerpunkte: Südostasien, Balkan und Camping. Du findest unsere Reportagen und Fotos in der GEO, Stern, Spiegel, GEOSaison und in Bildbänden.
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Mit dem Zug von Hanoi nach Sa Pa
Durch die geöffneten Fenster dringt kein einziger Lufthauch. Verstaubte Ventilatoren rasseln pausenlos an der Decke, versuchen die feuchtwarme Luft ein wenig durcheinander zu wirbeln. Flackernde Leuchtstoffröhren, nicht viel heller als brennende Kerzen, hüllen das Zugabteil in diffuses Schlummerlicht. Ewiges Warten und Schwitzen. Dann der erlösende Pfiff des Zugbegleiters, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Quietschen. Nur widerspenstig lösen sich die trägen Bremsen. Nach einem kräftigen Ruck, der schmerzhaft jeden Halswirbel auf die Probe stellt, springen die Baguette-Verkäuferinnen in letzter Sekunde von den Trittbrettern. Endlich weht ein leichter Windzug durch die Bankreihen und bringt etwas Abkühlung. Pünktlich fünfzehn Minuten nach sechs Uhr verlässt der Nord-West-Express den Hauptbahnhof Ga Hang Co in Hanoi mit dem Ziel Lao Cai – Ausgangsort für eine Weiterfahrt mit dem Bus in den Bergort Sa Pa. Zehn Stunden wird der Zug für die 300 Kilometer lange Strecke benötigen. Im Schritttempo schiebt sich die Bahn auf der aus Stahl erbauten Long Bien Brücke über den Roten Fluss in Richtung Norden. Der Himmel wechselt von Dunkelgrau in pastellfarbenes Rosa. Vereinzelt tanzen noch Nebelfetzen gespenstisch über die Wasseroberfläche von Hanoi´s Lebensader. Langsam erwacht die Stadt. Morgenmärkte öffnen, der Verkehr setzt ein, am Flussufer bewegen sich Menschen im Zeitlupentempo – zelebrieren ihre Morgengymnastik Tai Chi zur Stärkung für Herz, Kreislauf und Geist. Nur die meisten Fahrgäste im Abteil verfallen auf ihren Sitzplätzen wieder in den Tiefschlaf. Die Ruhephase während einer Zugfahrt kommt den Vietnamesen sehr gelegen. Vietnam ist hektisch, öffnet sich politisch und wirtschaftlich nach außen. Vietnam ist im Aufbruch.

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Hanoi, die alte moderne Dame
Hanoi liefert dafür das beste Beispiel: Seit der Doi Moi – die vietnamesische Version der Perestroika – boomt wieder privates Gewerbe in der Hauptstadt. Die Menschen in der Stadt wuseln, wirbeln, sind ständig in Bewegung. Zwischen Literaturtempel, Ho Chi Minh Mausoleum, französischen Kolonialvillen und Relikten aus dem Krieg spiegelt sich der neue Fortschritt in den Glasfassaden der Banken, Luxusherbergen und Autohäuser wider. Der morbide Charme der Millionenmetropole bröckelt an allen Ecken. Reishüte passen nicht mehr in das moderne Stadtbild; Schirmmützen mit Logos eines amerikanischen Getränke-Giganten, Britney Spears oder Bayern München schützen die Jugend heute vor der Sonne. Hip-Hop und Techno dröhnt aus Cafes, in denen noch vor wenigen Jahren Rohrflöte, Lithofon und Kürbisgong zu hören waren. Unaufhaltsam rasen Kolonnen von röhrenden Mopeds durch die Straßen, kommen kaum an den roten Ampeln zum Stoppen. Alles verändert sich, nichts scheint still zustehen.
Lediglich die Altstadt von Hanoi – „Ba Muoi Pho Phuong – Stadt der 36 Straßen“- konnte noch ein wenig von der asiatischen Gelassenheit bewahren. Ein Mikrokosmos vietnamesischer Lebensart mitten im brodelnden Schmelztiegel aus aufblühenden Kapitalismus und Ho Chi Minh-Vergötterung. In jeder Straße arbeitet und lebt eine andere Zunft – parallel der Schmiedgasse, liegt die Kräuterstraße und endet in der Tuchgasse, von der wiederum die Schuhmachergasse abzweigt. Ein Labyrinth von schmalen Nischen, Straßen und Gängen – wer hier einmal reingeht, findet so schnell nicht wieder heraus.




Stromaufwärts entlang am Roten Fluss
„Fahrkarten bitte!“ raunt es mit einem militärischen Befehlston durch den ganzen Waggon. Widerwillig erheben sich die schlaftrunkenen Köpfe von den Fensterbänken. Der Zugbegleiter, ein hochgewachsener Mittvierziger, kennt keine Gnade. Er reißt den letzten Tiefschläfer aus seinem schönsten Traum. Ein Getränkewagen folgt dem Kontrolleur, nutzt das kollektive Erwachen. Heißer Kaffee, stark gesüßter Tee, Instant-Nudelsuppen, Sandwiches, getrocknetes Rindfleisch und Tabak aus der Bambuspfeife halten die Fahrgäste für die nächsten Minuten wach.
Immer stromaufwärts entlang am Roten Fluss, frisst sich der Zug wie eine Raupe durch die atemberaubende Landschaft. Der graue Morgendunst löst sich langsam auf, lässt erste Sonnenstrahlen passieren. Die Konturen der nicht enden wollenden Reisfelder verschwimmen zu einem smaragdgrünen Meer am Horizont. Aus dem satten Grün erheben sich weiße Kuhreiher, tauchen einige Meter weiter ebenso schnell wieder ab. Stoisch kauende Wasserbüffel trotten an den Bahnschienen entlang, schauen teilnahmslos dem Zug hinterher.

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Höchster Berg in Vietnam: Fansipan
Nach acht Zugstunden von Hanoi zeigen sich im dunstigen Blau die ersten Silhouetten der Hoang Lien Berge. Der Gipfel des höchsten Berges von Vietnam – der Fansipan mit 3.143 Meter – liegt wie fast immer in einem Wolkenmeer.
In Lao Cai kommt der Zug langsam zum Stehen. Endstation. Eine knisternde Lautsprecherstimme bittet alle Fahrgäste auszusteigen. Auf dem Bahnhofsvorplatz stehen schon Minibusse für den Weitertransport ins Hochland nach Sa Pa bereit. Die Müdigkeit scheint wie verpflogen. Wie vom Blitz getroffen, rennen die Ankömmlinge zu den Bussen, drängeln, schubsen, wollen einen vorderen Sitzplatz ergattern. Dann quält sich der Bus fast eine Stunde über steile Serpentinen im Schritttempo bergauf nach Sa Pa.

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Sa Pa – einst Sommeresidenz der Franzosen
Die 1.650 Meter hochgelegene Kleinstadt wurde ursprünglich von den französischen Kolonialherren als Sommerfrische ausgebaut, um sich in dem alpinen von der schwülwarmen Hitze Hanoi´s zu erholen. Die 1912 fertiggestellte Straße erleichterte den Transport von Baumaterial und Maschinen in die abgelegene Bergregion. Villen, Hotels, Wohnkomplexe und Hospitäler wurden unter französischer Leitung errichtet. Sa Pa entwickelte sich mit einer gut funktionierenden Infrastruktur zum Ausflugsort der Aristokraten und Gutbetuchten. Nachdem immer mehr Soldaten in Lao Cai stationiert wurden, gewann Sa Pa weiter an Bedeutung. Anfang der 50er mussten die Besatzer das kühle Domizil wieder aufgeben. Vor dem Abzug zerstörten sie fast alles, damit den anrückenden Kommunisten nichts in die Hände fallen kann. Dann entfachte der Indochina-Krieg, später machten Grenzstreitigkeiten mit China die Bergregion für den Besucher zum Tabu. Heute sonnt sich Sa Pa wieder im stetig wachsenden Touristenansturm. Seit vier Jahren schießen immer mehr Hotels, Restaurants, Internetcafes und Souvenirläden wie Pilze, nach einem warmen Sommerregen, aus dem Erdboden. Ethnische Volksgruppen der Schwarzen Hmong in indigoblauen Trachten, Blumen-Hmong und die Roten Dao mit ihrem Kopfschmuck – die Franzosen nannten sie Montagnards – machen die ehemalige Bergstation der zu einem der exotischsten Bergorte in Vietnam.


Wochenmarkt in Sapa
Ein Höhepunkt an jedem Wochenende ist der Markt der Bergbevölkerung. Im Morgengrauen strömt ein buntes Völkergemisch aus den umliegenden Dörfern mit geflochtenen Tragekörben voller Waren auf den überdachten Marktplatz. Zu kaufen gibt es hier fast alles: vom getrockneten Chili, Seife, Hundefleisch, Unterhosen, Metallschmuck bis zur Fernsehantenne.
Die Landschaft in der Gegend um Sa Pa ist einfach grandios. Überall wo man hinschaut winden sich Reisterrassen in sanften Kurven über die steilen Hänge der Bergrücken. In allen möglichen Gelbschattierungen leuchten während der Erntezeit die Felder in der Abendsonne. Das Dreschen der Getreidebüschel hallt bis zum späten Abend durch die „Tonkinesischen Alpen“. Meist klammern sich weiße Wölkchen an deren Gipfel, lassen sie wie Sahnehäubchen auf einem Früchtemoussé erscheinen. Die meiste Zeit des Jahres allerdings wabern dicke Nebelschwaden durch die weiten Täler der Hoang Lien Berge. Im Winter kann es sich hier sogar bis zur Frostgrenze abkühlen. Selbst Schnee lag schon auf den Dächern in Sa Pa.


Bergvölker Red Dao und Black Hmong
Ly May Pham kennt jeden Winkel in Sa Pa. Die 16-Jährige vom Volk der Red Dao trifft sich hier an den Wochenenden mit ihren Freundinnen um Neuigkeiten auszutauschen oder am Abend ein bisschen durch die Straßen zu flanieren. Vor allem aber versucht sie ihre bestickten Taschen, Maultrommeln und Silbermünzen an Touristen zu verkaufen. Über drei Stunden Fußmarsch von ihrem Heimatort Taphin nimmt sie dafür in Kauf. Ein Mopedtaxi kostet umgerechnet einen Dollar. Das Geld für die Rückfahrt muss sie sich erst verdienen. Normalerweise bleibt Ly May Pham das ganze Wochenende in Sa Pa, übernachtet in einem Schlafsaal für ein paar Vietnamesische Dong. Aber wie jedes Jahr im September ist auch diesmal Erntezeit. Ly May Pham muss am Abend wieder zu Hause sein. Jede helfende Hand wird beim Schneiden und Dreschen auf dem Reisfeld gebraucht. Sie wohnt mit ihren Eltern und drei weiteren Geschwistern in einem Vorzeigedorf der vietnamesischen Regierung. Die 700 Einwohner zählende Gemeinde Taphin bekam vor drei Jahren eine neue Schule mit fünf eingerichteten Unterrichtsräumen. Weit sichtbar thront das weißgetünchte Gebäude auf einer kleinen Anhöhe mitten im Dorf. Sogar der einzige Weg durch das Dorf wurde betoniert.


Seitdem werden von vietnamesischen Reiseunternehmen Touristen durch den Ort geschleust, um den Anschein einer zufriedenen Bergbevölkerung zu erwecken. Die zusätzliche Einnahmequelle bringt aber auch etwas Wohlstand für die Dorfbewohner.
Schriftzeichen der Roten Dao aus China
Wenn die Ernten eingebracht sind – die Dao kultivieren Reis, Mais und Kartoffeln – gibt es für die Frauen und Mädchen kaum andere Verdienstmöglichkeiten außer dem Verkauf von Schmuck und Stickereien an die Touristen. Allerdings haben auch schon geschäftstüchtige Flachland-Vietnamesen, so nennen die Bergvölker die Vietnamesen aus tiefer gelegenen Gebieten, den Markt für sich entdeckt und angefangen einen ersten Souvenirshop, zum Ärger des Dorfbewohner in Taphin, zu bauen. Die Schule, sagt Ly May Pham, bringt uns wirklich weiter. Hier können wir, allerdings von zwangsversetzt, demotivierten Lehrern aus Hanoi, Vietnamesisch, Geografie und Mathematik lernen. Ihre Eltern haben nur Brocken der vietnamesischen Sprache gelernt, schreiben und lesen schon gar nicht. Die Schrift der Roten Dao kommt aus dem Chinesischen. Nur den Männern ist es vorbehalten, die Bücher mit chinesischen Schriftzeichen vor wichtigen Entscheidungen zu konsultieren – z. B. vor einer Hochzeit oder dem Verkauf von Vieh.
Nach der Ernte ist der Vater von Ly May Pham oft tagelang in den Bergen unterwegs und sammelt die „Früchte des Waldes“. So nennen die Bergvölker den schwarzen Kardamom. In Sa Pa auf dem Markt erhält er für ein Kilo von dem „Schwarzen Gold“ umgerechnet drei Euro, ein Bruchteil dessen was die Händler beim Weiterverkauf in Hanoi für das begehrte Gewürz bekommen. Bis vor kurzem stellten die Männer im Wald Fallen für Kleinwild auf und sind mit dem Gewehr auf Vogeljagd gegangen. Aber die vietnamesische Regierung hat versucht alle Schusswaffen der Minoritäten zu konfiszieren. Angeblich weil der Artenschutz in den Waldgebieten gefährdet ist. Es scheint aber eher eine Präventivmaßnahme zu sein: Seit den bewaffneten Aufständen der Minoritäten im zentralen Hochland hat die Regierung Angst es könnte auch in Nordvietnam zu Übergriffen kommen.

Volkgruppen in Vietnam sollen sesshaft werden
In Taphin leben die Roten Dao mit der Volksgruppe der Schwarzen Hmong zusammen. In ganz Nordvietnam sind solche Gemeinschaften entstanden. Dabei waren diese Bergstämme nie richtig sesshaft. Im 13. Jahrhundert wanderten die Red Dao von Südchina in Laos, Thailand und Vietnam ein. Später folgten die Hmong, Thai und Giay. Sie bauten an den Berghängen Trockenreis und Mais an. Wenn der Boden nach mehreren Ernten ausgelaugt war, zogen sie weiter in ein anderes Gebiet. Dieses halbnomadische Leben hatte zur Folge, dass in Nordvietnam immer mehr Waldgebiete der Brandrodung zum Opfer fielen. Seit den achtziger Jahren betreibt die Regierung Vietnams eine Politik, die ethnischen Volksgruppen auf Dauer sesshaft zu machen. Sie versucht die Bergstämme in bestimmten Gebieten anzusiedeln und sie zu einer stationären Landwirtschaft zu überzeugen. Die Red Dao ließen sich in den mittleren Bergregionen nieder und bauten Nassreis an, züchteten Schweine, Geflügel und Wasserbüffel, einige Schwarze Hmong zog es in noch höher gelegenen Regionen. Sie sind die Architekten der eindrucksvollen Reisterrassen an den Berghängen.

Ly May Pham träumt davon einmal in einer größeren Stadt wie Sa Pa oder Lao Cai zu leben und als Englischlehrerin zu arbeiten. Dafür hätte sie aber nach ihrer 6-jährigen Grundschulausbildung eine Hochschule in Lao Cai besuchen müssen und dort ein Studium absolvieren. Doch für Studiengebühren und Übernachtung in der Grenzstadt zu China fehlte der Familie das Geld.
Eltern suchen passenden Ehepartner aus
Außerdem verlangt die Tradition, dass sie spätestens mit neunzehn Jahren einen Jungen aus der Umgebung heiraten muss. Vorher gehen ihre Eltern in die Nachbardörfer und suchen einen passenden Mann für sie aus. Stimmen die Horoskope der zu Vermählenden überein, ist die Hochzeit perfekt. Für die Hochzeitsfeier ihrer älteren Schwester vor drei Jahren haben die Eltern acht Schweine geschlachtet und 100 Kilogramm Reis gekocht, um das ganze Dorf zu versorgen. Dafür mussten sie sich Geld bei den Nachbarn borgen. Für eine Hochzeit verschulden sich die Familien meist so hoch, dass oft auch noch ihre Kinder die Schulden abzahlen müssen. Normalerweise zieht die Braut nach der Trauung zu den Eltern des Mannes. Da aber Ly Ta May keine Brüder hat, lebt ihr Mann jetzt in ihrem Elternhaus. Dafür musste die Familie die stattliche Mitgift von fünf Millionen Vietnamesische Dong (ca. 250 Euro) an die Eltern von dem Ehemann zahlen.
Ly May Pham wird nach ihrer Hochzeit auf jeden Fall zu ihrem Mann ziehen müssen. Das macht sie schon heute sehr traurig. Aber vielleicht finden ihre Eltern ja einen geeigneten Jungen aus Taphin. Bis es aber soweit ist, möchte sie so oft wie möglich an den Wochenenden nach Sa Pa gehen und ihre Souvenirs verkaufen. Vor allem aber Touristen aus der ganzen Welt treffen und ihr Englisch verbessern.

Allgemeine Tipps für Vietnam
Vietnam war über ein Jahrzehnt Schauplatz eines der brutal geführtesten Krieges in Indochina. Der Vietnamkrieg – die Vietnamesen nennen ihn übrigens den Amerikanischen Krieg – forderte auf beiden Seiten mehrere Hunderttausend Tote, verwüstete weite Landstriche und hinterließ eine völlig zerstörte Infrastruktur. Nach bitteren Kämpfen und herben Verlusten siegten 1975 die Nordvietnamesen über die amerikanischen Truppen. Danach war das gesamte Land in einem desolaten Zustand und konnte sich von diesem Desaster lange Zeit nicht erholen. Die Regierung schottete zudem Vietnam bis Ende der 80er Jahre völlig von der Außenwelt ab, ließ kein ausländisches Kapital ins Land.
Erst die zaghafte Öffnung für ausländische Investoren und die Zulassung privater Kleinbetriebe verschaffte Vietnam einen wirtschaftlichen Aufschwung und zog somit die ersten Touristen an. Schnell erkannten die geschäftstüchtigen Vietnamesen das touristische Potential, was ihr Land zu bieten hat.
3.400 Kilometer Küste in Vietnam
Einzigartige Landschaften, traumhafte lange Sandstrände, eine kulturelle Vielfalt und liebenswerte Menschen lassen die Besucherzahlen ständig steigen. Vietnam, dass vor wenigen Jahren noch als billiges Domizil für Rucksackreisende galt, zieht heute immer mehr Pauschaltouristen an. Exklusive Bungalowanlagen und schicke Hotels entstehen in allen touristischen Destinationen im Landesinneren und an der 3.400 Kilometer langen Küste. Nord- und Südvietnam wird durch den Wolkenpass Hai Van getrennt. Wenn der Pass mal nicht in den Wolken liegt bietet er bei der Überquerung unbeschreiblich schöne Ausblicke auf das Meer und den goldenen Sandstrand von Lang Co. Seit 2005 gibt es einen Tunnel, so dass sich viele Busse nicht mehr über den Pass quälen müssen – aber man dadurch auch nicht mehr die spektakuläre Aussicht genießen kann. Der Hai Van-Pass ist gleichzeitig die Wetterscheide Vietnams. Die 1.000 Meter hohe Barriere hält die kalten Luftmassen von Nordvietnam zurück, dadurch ist der Süden im Jahresdurchschnitt etwas wärmer. Die touristischen Ziele sind im ganzen Land verteilt. Beliebte Ausflugsziele von Hanoi sind mehrtägige Bootsfahrten durch die eindrucksvolle Halongbucht mit den bizarren Karstfelsformationen im Südchinesischen Meer.
Touristenmagnet – Freilichtmuseum Hoi An
Das nicht weniger imposante Pedant in trockener Form befindet sich 80 Kilometer südlich der Hauptstadt. Kulturelles Zentrum ist die alte Kaiserstadt Hué in Mittelvietnam. Die Zitadelle, die Verbotene Purpurstadt, die architektonisch aufwendig gestalteten Grabanlagen der Kaiser aus der Nguyen-Dynastie und der Parfümfluss stehen auf jedem Reiseplan. Weiter südlich, gleich hinter dem Wolkenpass, befindet die gemütliche Kleinstadt Hoi An. Wenn man durch die schmalen Gassen der Altstadt mit den alten chinesischen Handelshäusern und kantonesischen Versammlungshallen spaziert, hat man das Gefühl durch ein Freilichtmuseum zu wandeln. Zum Beachen und Schwimmen eignen sich am besten die Strände im südlichen Teil Vietnams. Am beliebtesten sind die Strände und Inseln in Nha Trang und die 12 Kilometer lange Sandsichel in Mui Ne. Letztere hat sogar 30 Meter hohe rote und weiße Sanddünen zu bieten.

Bergort Sa Pa
Der Zug von Hanoi nach Lao Cai fährt um 6.15 Uhr vom Hauptbahnhof ab. Das Ticket kostet am Schalter umgerechnet 6 €, wenn man sich allerdings die Fahrkarte von einem Reisebüro besorgen lässt ist sie doppelt so teuer. Bequemer ist die Anreise mit einem Nachtzug im Schlafwagen für ca. 20 €, aber man sieht nichts von der grandiosen Landschaft. Um 16.00 Uhr kommt der Zug in Lao Cai an. Von dort geht es für knapp eine Stunde weiter bergauf mit einem Minibus ab 2 € oder per Taxi ab 15 € bis Sa Pa. Wer nicht viel Zeit hat, sollte spätestens am Freitag anreisen, um am Sonnabend früh den quirligen Wochenendmarkt besuchen zu können. In Sa Pa stehen Unterkünfte in allen Preiskategorien zu Verfügung – vom exklusiven Pistachio Hotel & Spa ab 114 € mit Pool bis zum Schlafsaalbett im Hostel oder Homestay ab 5 €. Auch an Restaurants, die den ganzen Tag gutes und preiswertes Essen servieren, mangelt es nicht. Jedes Hotel bietet geführte Wanderungen und Ausflüge in die Umgebung an. Beliebte Ziele sind Tagestouren zu den Dörfern der Schwarzen Hmong und Roten Dao, den Wasserfällen Cat Cat und Thac Bac.
Trekking oder Moped mieten in Sa Pa?
Die Umgebung kann man auch mit einem gemieteten Moped (ab 5 €) oder der legendären Minsk erkunden. Vorher aber auf jedem Fall Bremsen und Reifen überprüften! Nach Taphin fährt man bergab in Richtung Lao Cai und biegt nach ca. 7 km in eine schmale Asphaltstraße ab. Leider steht dort kein Schild, aber den Ort kennt jeder. Auf dieser Straße kommt man nach weiteren 5 km direkt nach Taphin.
Trekkingfreunde können in einer mehrtägigen Tour den höchsten Berg Vietnams – den 3.143 Meter hohen Fansipan – besteigen. Voraussetzung ist eine gute Kondition und geeignetes Schuhwerk für den schweißtreibenden Aufstieg. Der Berg darf allerdings nur in Begleitung mit einem einheimischen Führer bestiegen werden, da es keine ausgeschilderten Wege gibt. Zelt und Verpflegung stellt der Organisator. Vor Antritt der Trekkingtour ist es ratsam alle Details gründlich abzusprechen.
Ausflug zum Sonntagsmarkt in Bac Ha
Von Sa Pa fahren um 8.00 Uhr Minibusse nach Bac Ha. Die Fahrt dauert ca. 3 Stunden und kostet je nach Anbieter 10 € oneway und 12 € Roundtrip. Hier findet der farbenfroheste und lebendigste Markt von ganz Nordvietnam statt. Jeden Sonntag ab 7.00 Uhr strömen hauptsächlich die Frauen der Blumen-Hmong aus den umliegenden Dörfern nach Bac Ha und verwandeln den Marktplatz mit ihren buntbestickten Trachten in ein Meer von Farben. Ihre Männer verkaufen Wasserbüffel und verkosten in Gemeinschaftspfeifen den angebotenen Tabak.
Die meisten Besucher organisieren ihre Reise so, dass sie am Sonntag früh nach Bac Ha fahren. Und von dort am Nachmittag zurück nach Lao Cai zum Bahnhof, um den Nachtzug nach Hanoi zu bekommen.

Tipps für die Reise nach Nord-Vietnam
Anreise
Der Flughafen in der Hauptstadt Hanoi wird u.a. von Vietnam Airlines (Non-Stop), Singapore Airlines, Thai Airways und Qatar Airways angeflogen. Der Flug kostet ab Frankfurt/Main in der Economy Class ab 650 €. Wer drei Stopps in Kauf nimmt, ist bei Ryanair ab 330 € dabei. Ho-Chi-Minh-Stadt wird zusätzlich von Emirates , Swiss und JAL bedient, ist aber im Preis fast identisch.
Einreise
Deutsche, Schweizer und Österreicher dürfen sich bis zu 15 Tage ohne Visum in Vietnam aufhalten. Wer 30 Tage im Land bleiben möchte, sollte ein E-Visum für 49,95 € für eine einmalige Einreise online beantragen (www.visumantrag.de). Alternativ: Das Visa on Arrival für Touristen ist teuerer, da zusätzlich eine Stamping Fee (bis 50 US-Dollar) zu zahlen ist, und man benötigt vor der Abreise ein Genehmigungschreiben (20 €). Wichtig: Man muss bei der Antragstellung das Ein- und Ausreisedatum genau angeben. Früher einreisen ist nicht erlaubt und wer 14 Tage später einreist, dem bleiben dann nur noch 2 Wochen.
Aktuelle Infos bei der Botschaft in Berlin (Elsenstraße 3, 12435 Berlin, Tel.: 030-53630108, http://www.vietnambotschaft.org).
Geld
Die vietnamesische Währung ist der Vietnam Dong (25.500 VND = ca. 1 €). In den meisten Banken, am Flughafen und in Wechselstuben kann man Bargeld problemlos in die Landeswährung tauschen. Alle gängigen Kreditkarten werden in großen Hotels und Geschäften akzeptiert. Auch Geld abheben am Automat ist kein Problem. In Vietnam gilt als zweite Währung der US-Dollar und viele Gästehäuser und Reiseunternehmen nehmen lieber diese Währung. Es kann also nicht schaden zusätzlich einige US-Dollar in bar mitzunehmen.
Preise
Vietnam gilt allgemein als ein günstiges Reiseland. Ein Essen im Restaurant kostet 2 bis 4 €. Eine Nudelsuppe am Straßenstand bekommt man schon ab 1 €. Softdrinks und Wasser (1,5 Liter) kosten zwischen 0,30 und 0,50 €. Für zweckmäßig eingerichtete Unterkünfte mit Klimaanlage zahlt man ab 7 €. Wer mehr Luxus möchte kann auch in einem Resort für 550 € übernachten. Öffentliche Verkehrmittel machen sich in der Reisekasse fast nicht bemerkbar. Ein Busticket von Hanoi nach Ho-Chi-Minh-Stadt (ca. 1.700 km) ist schon ab 20 € zu bekommen. Mit diesem Open-Bus-Ticket kann man an den wichtigsten Orten mehrtägige Zwischenstopps machen und wird dann wieder vom Hotel abgeholt.

Reisezeit
Der Norden von Vietnam lässt sich am besten in den Monaten September bis Dezember bereisen. In dieser Zeit herrschen angenehme Temperaturen um die 24 Grad. Danach setzt in Hanoi und in den Bergen Nieselregen ein und es wird ungemütlich kalt. Sehr warm kann es dagegen ab Mai werden. Im Süden ist es ab Dezember meist trocken und wird bis Mai ebenfalls sehr warm. Kurze Schauer sind auch in der Trockenzeit möglich. Ab Juni bis November kann es zu tagelangen Regenfällen kommen.
Gesundheit
Die hygienischen Bedingungen außerhalb der Städte und Touristenzentren entsprechen nicht dem europäischen Standard. Wie bei Reisen in allen asiatischen Ländern sollte man nach Möglichkeit vorher einen Tropenarzt konsultieren. Ein Impfschutz gegen Tetanus, Polio und Hepatitis ist sehr ratsam. In wasserreichen Gebieten sollte man unbedingt nach einem Moskitonetz in der Unterkunft fragen und sich vor der Dämmerung mit Mückenschutzmittel einreiben. Die wichtigsten Verhaltensregeln beachten: Wasser nur abgekocht oder aus verschlossenen Flaschen trinken. Nur gegartes oder durchgebratendes Fleisch essen und Obst, dass man schälen kann zu sich nehmen.

Bildband VIETNAM
Über 240 Bilder zeigen Vietnam vom hohen Gipfel des Phan Si Pan nahe der Grenze zu China bis zum entlegensten Zipfel am Golf von Thailand. Spezialkapitel berichten über die vietnamesische Küche, die amphibische Traumwelt des Mekong-Deltas, die alte Kaiserstadt Hue, das Hafenstädtchen Hoi An, die Ikone Ho Chi Minh und die traumhafte Ha-Long-Bucht.

Bildband VIETNAM*
Für diesen Bildband sind wir von der Bergwelt Sa Pa über Hanoi bis ins Mekong-Delta gereist.Weitere Bücher von uns: BÜCHER