Long Neck Women – Leben im Menschenzoo
Aus Myanmar vertrieben, in Thailand ohne Rechte: Die sogenannten Langhals-Frauen der ethnischen Volksgruppe Padaung sind in Thailand sehr gern gesehene Flüchtlinge – für Geschäftemacher ebenso wie für zahlende Touristen.
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Flucht aus Loikaw in Myanmar
Der Abschied von ihrer alten Heimat Loikaw im Osten Myanmars fiel der jungen Ma Pai nicht allzu schwer, sagt sie. Dort wo sie herkommt, wurde jahrelang ihr Volk, die ethnische Minderheit der Padaung, mit militärischer Härte unterdrückt und systematisch vertrieben. Immer wieder überfiel das burmesische Militär ihr Dorf, brannte die Hütten nieder und zerstörte ihre Reisfelder, als Rache für die Unterstützung der Unabhängigkeitskämpfer. Myanmars Generäle waren da nicht zimperlich.
Nach der Odyssee einer tagelangen Flucht aus ihrem Heimatdorf und Verharren in einem thailändischen Auffanglager gleich hinter der burmesischen Grenze, lebt die 34-Jährige nun schon seit drei Jahren in Paoo Nangalae, einige Kilometer nördlich von der Stadt Chiang Rai. Sie wurde mit ihrem Ehemann She Lowa, den beiden Kindern und weiteren 17 Angehörigen ihres Volksstammes aus dem Flüchtlingscamp hierher umgesiedelt. Paoo Nangalae ist kein gewachsenes Dorf, sondern eine künstlich erschaffene Siedlung aus Bambushütten und Wanderwegen für den Ethno-Tourismus. Gegründet von einem geschäftstüchtigen Thai, der hier mehrere ethnische Gruppen aus Myanmar gemeinsam wohnen lässt, die tagsüber zahlenden Touristen ein unverfälschtes Leben vorzugaukeln haben.



Bis acht Kilogramm wiegt das Halskorsett
Was die Padaung, auch bekannt als Kayan, so einzigartig macht? Keine Frau einer anderen ethnischen Gruppe trägt permanent so auffälligen Halsschmuck wie die sogenannten Langhals-Frauen. Traditionell bekommen die Mädchen im Alter von fünf bis sechs Jahren ihren ersten Messingring um den Hals gelegt. Schamanen ermitteln dafür das richtige Datum, die Konstellation der Sterne ist für den Beginn der Zeremonie ausschlaggebend. Ähnlich wie die Novizenweihe shin pyu bei den Burmesen, wird auch bei den Padaung dafür ein aufwendiges Fest ausgerichtet. Die Anzahl der Windungen erhöht sich sukzessive mit dem Alter, bei den meisten Mädchen und Frauen eine pro Jahr. Die Messingspirale besteht aus einem sechs Millimeter dicken Rundmaterial und wird aus einem Stück um den Hals gebogen. Bei einer betagten Frau können sieben bis acht Kilogramm Messing die Schultern belasten. Das Gewicht von dem glänzenden Halskorsett drückt im Laufe der Jahre die Schlüsselbeine und Rippen nach unten, verlängert so den Abstand zwischen Schultern und Kinn. Die Halswirbel selbst werden nicht gestreckt. Durch den einsetzenden Muskel- und Gewebeschwund wird der Hals dünner und wirkt auch dadurch wesentlich länger. Das hat den Padaung-Frauen die entwürdigenden Namen „Giraffen-Frauen“ und „Langhälse“ eingebracht.

In Paoo Nangalae kann niemand eindeutig erklären, weshalb die Padaung diese schwergewichtigen Halsringe als Zierde benutzen. Die 40-jährige Ma Chang trägt 27 Windungen und damit den auffälligsten Halsschmuck in der Siedlung. Sie erzählt, dass sich mehrere Geschichten um diese einmalige Tradition ranken. Einmal war es wohl der Schutz vor Tigerbissen, wenn die Frauen allein im Dschungel nach Kräutern und Wurzeln suchten; nach einer anderen Überlieferung sollten die Messingringe die Frauen für räuberische Männer anderer Volksstämme unattraktiv machen und so vor Entführungen schützen.

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Halsschmuck als Schönheitsideal
Ethnologen schließen einen Zusammenhang mit der Anbetung von Schlangen- und Drachengeistern nicht aus. Um den Geistern ihre Ehre zu erweisen und sie immer gnädig zu stimmen, sollten die Töchter der Padaung das Aussehen einer Schlange imitieren. Wegen der jahrelangen Abschottung ihres Lebensraumes durch das burmesische Militär geben die Padaung heute immer noch viele Rätsel auf.


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Eins ist aber sicher, heute ist der Halsschmuck auch ein Schönheitsideal. Die Frau mit den meisten Ringen genießt das höchste Ansehen in der Gemeinschaft. Auf knapp drei Kilogramm Metall am Hals und an den Beinen hat es Ma Pai schon gebracht. Mit sieben Jahren bekam sie ihren ersten Messingring. Vorher konnte die Familie nicht genug Geld für den Schmuck aufbringen. Der Messingschmuck von Ma Pai ist stets auf Hochglanz poliert. Mit der Säure der Limette und einem weichen Baumwolltuch bekommt das Messing seinen metallischen Glanz. Um beim Tragen das Wundscheuern der Haut zu vermeiden, trägt sie zwischen Metall und Kinnpartie ein weiches Stück Stoff, das sie selbst kunstvoll bestickt hat.


Ein Käfig ohne Gitter
Für Ma Pai, Ma Chang und die anderen Frauen in Paoo Nangalae verlangt das Tragen der Messingringe nicht nur die althergebrachte Tradition, sondern auch der Besitzer des umstrittenen Touristenziels. Ihr Schmuck soll so viel wie möglich Besucher anlocken, denn ohne Halsschmuck keine Touristen und ohne Touristen kein Einkommen. Monatlich erhalten die Frauen umgerechnet 40 Euro zum Leben. Die Einnahmen aus den Souvenirverkäufen dürfen sie für sich behalten. Eine mitten im Dorf aufgestellte Spendenbox wird täglich nach Sonnenuntergang geleert und gleichmäßig unter allen Bewohnern aufgeteilt.
Fragt man Ma Pai was sie fühlt, wenn sie täglich von Touristen begafft wird und für etliche Kameras ein zufriedenes Lächeln aufsetzen muss, findet sie nicht gleich die passenden Worte. Offiziell müsste ihre Antwort lauten, dass sie sich freut, wenn Besucher in ihr Dorf kommen und sich für das Leben und die Kultur der Padaung interessieren. Ma Pai erträgt es mehr oder weniger stillschweigend in einem Käfig ohne Gitter als Fotomodell ausgestellt zu werden. Sie weiß, dass es aber auch die einzige Chance ist mit ihrer Familie in Frieden zu leben. In Myanmar gibt es für sie keine Zukunft mehr. Manchmal ist sie sogar froh hier zu sein, wenn Besucher eine selbstgeschnitzte Padaung-Puppe oder einen handgewebten Schal in ihrem kleinen Souvenirstand kaufen.



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Mit der Tradition gebrochen
In der Region Mae Hong Son, nur einige Kilometer von der burmesischen Grenze entfernt, entstanden vor 20 Jahren die ersten Camps mit Padaung-Familien, die für Touristen leicht erreichbar und für pfiffige Geschäftsleute eine Goldgrube waren. Hier haben einige junge Frauen mit dieser Tradition gebrochen und sich ihrem Messingkorsett entledigt. Dieser Protest richtete sich gegen Thailands Regierung, die ihnen nicht erlaubt das Dorf zu verlassen, um sich eine richtige Arbeit zu suchen oder eine Ausbildung zu machen.
Für das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) sind diese Dörfer nichts weiter als Menschenzoos. Für Herrn Anan, Gründer vom Dorf Paoo Nangalae, ist es ein sozialer Lebensraum für unterdrückte Völker. Wie auch immer: Zu mindestens hat er eine kleine Schule für die Kids auf dem Gelände bauen lassen. Hier unterrichtet zweimal wöchentlich eine Lehrerin aus Chiang Rai die Landessprache Thai und ein wenig Englisch. Ein kleiner Hoffnungsschimmer.


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